Predigt über 5.Mose 4, 29-31

von Michael Strauch


home





 

Einleitung:

In jeder menschlichen Kultur stand ein Volk bisher in seiner Geschichte an einem Neuanfang, einem neuen Abschnitt, wo es darum ging, das Vergangene zu bedenken und daraus die nächsten Schritte zu wagen. Deutschland hatte einen Krieg verloren. Die Vorstellung von einem großen Kaiser und der fehlgeschlagene Versuch einer Rebublik lastete auf den Schultern von Millionen Deutschen. Sie standen vor dem Nichts. Da kam ein Mann, der ihnen alles versprach. Er redete viel von Gott, noch mehr von der Vorsehung. Er redete von einer arischen Rasse, einem Edelgeschlecht wie man es nur von den Rittersagen her kannte. Einem erwählten Volk, von Gott erwählt, der Welt christliche Tugend zu bringen. Eine kleine Bibel, so wurde ich unterrichtet, trug er für eine gewisse Zeit bei sich. 1933 geschah das Unglaubliche: ein ganzes Volk glaubte diesem Mann. Vergessen waren die Bibelstunden, die Predigten auf den Kanzeln, die Einsichten von Gottes Wort. Doch manche merkten auf. Kleine Propheten, wie Gott sie stets sannte, weil er ein Volk nie ganz im Dunkeln läßt.

Aus einem Brief von General Ludendorff an den Reichspräsidenten Hindenburg zwei Tage vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933:

„Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der größten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert Ich prophezeie Ihnen feierlich, daß dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund stürzen und unsere Nation in unfaßbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden sie wegen dieser Handlung in ihrem Grabe verfluchen.“

 

l. Erlösung

 

Das Unglück traf ein. Heute weiß man, daß das Phänomen Hitler, Stalin, Mussolini, Idi Amin etc. meist keine Figuren sind, die in jede Zeit hineinpassen würden. Es ist eine Entwicklung. Und man bemüht sich durch aller Sorten Medien, das Deutschland das Geschehene nicht mehr vergißt. Denn Vergessen heist Wiederholung. Was aber sollen sie nicht vergessen? Den furchtbaren Holocaust? Die Jahre, wo Deutschland zum „Henker und verbrecherischen Vollstrecker eben dieser Warnung des Mose wurde: ...wenn dich das alles treffen wird!" Deutschland, Land der Reformation. Ein Land, das von Gott immer wieder gnädig angesehen wurde. Ein Land, wo soviel geistige und geistliche Erkenntnis floß, vergreift sich am Augapfel Gottes. Wie sehr ist die Geschichte der Juden mit der der Deutschen verknüpft. Als Mose dieses Trostwort und im selben Atemzug dieses Gerichtswort zum Volk Israel sprach, da möchte man meinen, daß der Prophet im Geiste freudig den Einzug ins gelobte Land sieht und zugleich die vielen Male, wo Israel das Geschenk zwar nimmt, den Geber aber vergißt. Und Mose sieht, wie das Volk immer wieder von seinem hohen Thron gestoßen wird, bis es im Jahre 133 n.Chr. völlig aus Israel vertrieben wird. Und inmitten des Leides werden sie beginnen, sich zu erinnern. An was? Daran, daß Gott sie erlöst hat. Daß er das Volk Israel aus der Fremdherrschaft Ägyptens befreit hat, mit mächtiger Hand. Gott hat sein Volk dem Pharao entrissen wie eine Bärin, die dem Feinde ihre Kinder entreißt. Weil er dieses Volk liebte setzte er sich für es ein, wie er es bisher nie an einem Volk getan hat.

Und an was soll das deutsche Volk sich erinnern? Daß der Papst einstmals Warfen gesegnet hat und die SA in Reih und Glied in den Gottesdienst einmarschiert ist? Daß eine Predigt mit frommen Worten noch nicht Zeugnis dafür ablege ob der Redner ein Mann Gottes ist? Vielleicht. Aber zuerst soll das deutsche Volk daran denken, daß Gott es liebt. Daß Gott dich liebt. Vergiß es nicht. Vergiß nicht, daß Gott auch für die Dramen, für den Abfall und für den Ungehorsam deines Lebens am Kreuz gestorben ist. Noch ehe Gott dich geschaffen hat, wußte er um die Schuld, mit der du ihn betrüben wirst. Dennoch hat Er dich gewollt. In seinem Sohn Jesus Christus, der den Holocaust, das Hitlerregime und all das Blut, das bisher die Erde getränkt hat, ans Kreuz getragen hat, spricht er Dir die Vergebung zu. Das Kreuz ist das Zeichen der Erinnerung. Das Kreuz Jesu durchkreuzt die Pläne der Mächtigen, auch wenn sie im Gange sind. Am Anfang und am Ende steht das Kreuz. Doch es steht nicht öffentlich, nicht marktschreierisch. Oft still und verborgen in einer kleinen Ecke deines Lebens. Erinnere dich und mache dich auf die Suche. Nicht erst, wenn die Not uns alle wieder treffen kann.

2. Bestimmung

„Wenn du den Herrn suchen wirst...! "Die Kirche, aus der ich komme, nannte sich Trinitatiskirche. Die ursprüngliche barocke Kirche wurde im 2.Weltkrieg zerbombt. 1959 wurde an ihrer Stelle eine neue, hochmoderne Kirche gebaut. Sie wurde dem Modell der Berliner Gedächtniskirche nachemp-funden. Nach außen hin beklagten sich viele Leute, wie häßlich diese Kirche doch aussehe. Ein Betonklotz, eckig und wuchtig. Als man den Architekten fragte, was er sich dabei gedacht hatte, antwortete er: diese Kirche solle bewußt Anstoß erwecken, sowie das Kreuz Anstoß und Argemiss erwecke. Wenn man Gott tatsächlich suchen wolle, so müsse man sich schon die Mühe machen, in die Kirche hineinzugehen. Wenn man in der. Kirche ist, wo man umgeben ist von vielen Glasmosa-iken an den Wänden. Da moderne Kunst, ist es nicht leicht, etwas zu erkennen. Nur wer sich intensiv den Mosaiken ausgesetzt hat, nur wer lange betrachtend davorstand und intensiv betrachtet und versucht hat, zu verstehen: der sieht mehr! Der sieht die ganze Passionsgeschichte Jesu. Angefangen von Krippe und Abendmahl, über Kreuz und Auferstehung bis hin zur Ewigkeit. Wenn man dann die Kirche in dieser Medition wieder verließ, konnte es passieren, daß man ein bestimmtes Gefühl nicht ganz abschütteln konnte:

Man hatte Gott gesucht und er ließ ein Stück von seiner Person in einem selbst aufleuchten. Aber wenn man so intensiv Gott begegnet war, konnte man ihn nicht mehr verlassen, ohne sein Leben neu zu überdenken. Wenn man am Kreuz stehen bleibt, intensiv und willig, wird man sich erkennen, wie man ist. Schuldig durch alle das Böse, was in einem Menschenleben sich anzusammeln vermag. Wenn man begriffen hat, intensiv und willig, daß Jesus Christus die Folgen meiner Sünde, nämlich den Tod erlitten hat und daß er den Tod durch sein Leiden und Sterben überwand und siegreich von den Toten auferstand, der versteht, das dies alles nicht eine kleine Gefälligkeit Gottes war. Sondern dies alles diente einer großen Sache, einer Ziel, für das es zu entscheiden sich lohnt.

Ich fasse zusammen: die Kartage, die Ostertage und die Tage danach können für uns eine Zeit sein, wo wir uns erinnern. Uns erinnern, wo wir das Kreuz Christi im Laufe der Jahre hingestellt haben. Uns erinnern, ob wir mit dem Christus am Kreuz oder mit dem Auferstandenen leben. Wir haben die Möglichkeit, uns auf die Suche zu machen nach dem Geheimnis, daß Gott nur dem zeigt, der sich von ganzem Herzen auf die Suche nach ihm macht. Wir sind bestimmt für eine ganz große Sache!

3. Berufung

 

Als Jugendlicher habe ich mich auf die Suche gemacht, ob etwas noch von der alten Trinitatiskirche übrig geblieben ist. Und ich wurde fündig. Im Keller des Glockenturmes, tief unten in der Dunkelheit, stand noch ein mannshohes Altargemälde. Als ich Licht machte, sah ich, an was jeder Gottesdienstbesucher in der Zeit vor dem Krieg erinnert wurde: an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jungem. So wurden auch die Abendmahlskelche und das silberne Gießgefäß vor den Flammen gerettet. Der Kelch erinnert stumm durch seinen Inhalt: Christus ist für Dich gestorben. Sein Blut macht Dich rein von aller Sünde. Der Abendmahlsteller berichtet stumm durch seinen Inhalt: das Brot ist der Leib, der dich geliebt hat bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz. Diesen Jesus hat Gott auferweckt von den Toten und hat ihn zu sich genommen. Christus sitzt zur Rechten Gottes. Doch auch wenn Christus nicht mehr leibhaftig unter uns ist, so zeigt doch das Abendmahl, daß er immer noch imstande ist, mit uns in einer tiefen Gemeinschaft zu leben. Denn wenn man am Altar stand und diesen alten Kelch zum Mund führte und dabei auf das Mosaik über dem Altar blickte, so erkannte man eine Taube. Christus hat uns nicht als Weisen zurückgelassen. Er will bei uns sein durch seinen guten Geist. Er will uns führen und leiten. Wohin? Wenn man das Abendmahl gekostet hatte und sich umdrehte, dann fiel der Blick geradeaus über die Bänke hinweg auf die Empore. Und über der Empore sah man die goldene Stadt, das himmlische Jerusalem.

So wurde man stets erinnert in einer Kirche, die aus dem Leiden des Krieges neu entstanden ist. Es ist eine Kirche, wo man suchen muß, wenn man fündig werden will. Wer aber ernstlich gesucht hat und fündig geworden ist, der bedenkt sein Leben neu: Dies alles ist geschehen, weil Gott dich liebt. Und weil er dich liebt, erinnert er dich an das Kreuz, an die Auferstehung, an Himmelfahrt und Pfingsten. Und weil er Dich liebt, wird er dich immer wieder fragen: hast du begriffen, was ich für dich getan habe? Komm, folge mir nach. Wenn du mich suchst, wirst du mich finden. Wenn du mir nachfolgst, wirst du unfaßbare Dinge erleben. Erinnere dich stes an mich und an all das, was für dich geschehen ist.

Als der alte Prophet Mose diese Worte sprach, hatte er ein Volk vor sich, das noch ganz am Anfang stand. Mose sprach davon, daß dieses Volk das Land einnehmen würde. Es würde darin alt werden, Generationen würden sich bilden und über den Generationen auch das Vergessen. Gott würde immer wieder Menschen schicken, die erinnern sollen. Die dazu aufrufen, Gott wieder zu suchen. So ist es nicht verwunderlich, daß nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 587 und dfefWegführung der Bevölkerung durch die Babylonier der alte Prophet Jeremia nahezu die gleichen Worte sprach: Ihr werdet mich suchen und finden, wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet (Jer. 29,13). Wilhelm Busch erlebte nach dem Krieg viele Menschen, die das Evangelium dankbar aufnahmen. In den vierziger Jahren brauchten Pfarrer sich über mangelnden Kirchenbesuch nicht zu beklagen. Aber nach nahezu 50 Jahren sind wir wieder aufgerufen: Leben wir noch intensiv mit Christus? Sind wir noch auf dem Weg vom Kreuz zum himmlischen Jerusalem? Erwiedere ich Gottes Liebe, indem ich seinen Willen tue? Erinnere dich. Suche Gott und suche in Dir, wie Du vor ihm stehst.

Schluß:

Das dritte Reich war die Krönung eines langen Kirchenschlafes. Der dänische Theologe Jürgen Glenthoj sagte einmal: wenn...wir uns nicht auf unsere eigenen Versäumnisse besinnen, dann dar/man nicht überrascht werden, wenn auch unser Faß der Versäumnisse voll wird und auf uns ein Holocaust der Volkskirchen kommen wird als die notwendige Folge und einzige Möglichkeit der Errettung vom Rest des wahren Israel. Meine These ist, daß die Reichskristallnacht und was danach kam, zutiefst aus Versäumnissen der Verkündigung, aus falscher Prophetie und Christologie in der Christenheit durch die Jahrhunderte erfolgen mußte!" (aus OJCHeftNr. 166 S. 7/8) Gottes Liebe mahnt uns: Sucht den Herrn, solange er noch zu finden ist. Tut seinen Willen und gebt ihm den ersten Platz in eurem Leben. Amen.