Bibelarbeiten: Bibelarbeit zu Nehemia 8

erstellt von Michael Strauch


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1. Einleitende Bemerkungen

2. Kurze Gliederung

3. Exegetische Bemerkungen

1. Einleitende Bemerkungen

"Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen." Blaise Pascal

2. Kurze Gliederung

a.. Verlesung des Gesetzes vor dem Volk (V.1-8)

b.. Bußtrauer als Reaktion (V.9)

c.. Aufruf zur Freude an Gott (V.10-12)

d.. Feier des Laubhüttenfestes in Hütten aus Zweigen (V.13-18)



3. Exegetische Bemerkungen



3.1. Verlesung des Gesetzes vor dem Volk (V.1-8)

Ich las heute eine Zeitschrift über Gemeindebau. Die Ansätze waren gut und nach meiner Einschätzung biblisch fundiert. Doch etwas störte mich. Sätze wie: seitdem wir in der Gemeinde X zu Besuch waren und diese Gottesdienste bei uns begannen, seitdem hat unsere Gemeinde Aufschwung erfahren. Das alles mag keiner bösen Absicht entspringen, aber ich meine, Grundlagen liefern doch die alten Texte aus Nehemia. Warum begeistern sich heute so wenig Menschen an diesem Buch? Zumindest habe ich Nehemia`s Gottesdienstprogramm in dieser Zeitschrift vermißt. Aber ich will nicht hetzen, sondern nur sanft aufmerksam machen. Denn Nehemia ist nach wie vor brandaktuell. Er hat nach Fertigstellung des äußeren Rahmens (Mauerbau) ein klares Konzept einer geistlichen Mitte. Wie sieht diese aus?

1.. Das ganze Volk versammelte sich wie ein Mann. (V.1) Und sie versammelten sich auf dem Stadtforum. Man würde zur Zeit des Paulus sagen: auf der Agora oder heute: auf dem Marktplatz, Paradeplatz, Schloßplatz etc. Sie versammelten sich alle - das klingt selbstverständlich. Also offenbar kein "Familiengottesdienst", "Kindergottesdienst", "Gottesdienst für Außenstehende" etc. Diese Begriffe sind nicht verkehrt. Aber wie schön ist es doch, wenn alle zusammen sind. Alte Menschen, Mittelalter und junge. Ja, auch die Kinder. Alle treffen sich einmütig. Es stört sie nicht die lässige Haltung der Teenies, das Gequängel der Kleinkinder. Denn sie sind einmütig, einmütig in ihrem Wunsch, Gottes Wort zu hören und geradezu begierig aufzunehmen. Interessant ist auch, daß sich das Volk auf öffentlichem Terrain versammelt. Das bringt zum Ausdruck, daß das Wort Gottes etwas ist, was ins ganze öffentliche Leben integriert werden will.

2.. Das Wort Gottes bildet die Mitte. Es ist erhoben (Holzgerüst V.4), es wird original gelesen (V.3) und alle "Ohren des Volkes waren auf das Gesetz des Mose gerichtet!" Das Wort Gottes muß die zentrale Stellung im Gottesdienst behalten. Ich habe oft erlebt, daß Gottesdienste mit nahezu einer Stunde "Verspätung" - also Vorspiel - begannen. Mir persönlich ging es so, daß ich mich auf die Predigt kaum noch konzentrieren konnte. Auch die Zunahme von "thematischen Predigten" halte ich als schwierig, weil sie oftmals dem Motto folgen: ich habe etwas zu sagen, ich brauche nur noch den Text dazu. Das Lesen aus der Heiligen Schrift, wie es im Gottesdienst fester Bestandteil ist, bleibt ein biblisches Instumentarium. Auch las nicht jeder, der dazu Lust hatte, sondern Esra wurde darum gebeten. Älteste, Presbyter - also Männer, die Vorbild im Glauben sind und in das Amt des Ältesten gewählt, sollen aus dem Wort Gottes lesen. Als Esra das Wort Gottes aufrollte (V.5) stand das ganze Volk auf. So wie es im liturgischen Gottesdienst auch Brauch ist. Es ist eine Ehrfurcht diesem Wort Gottes gegenüber. Und das Wort Gottes ist erhöht. Nicht der Prediger, Pfarrer, Priester etc. sind erhöht, das Wort Gottes ist erhöht. Das Wort soll und muß in der Predigt den Menschen lieb gemacht werden und man soll nicht von diesem Wort abkommen. Alle Versuche, anstelle des Wortes Gottes Geschichten zu erzählen oder andere Dinge, wirken blass und hohl, weil das Wort Gottes Kraft hat. Das Gesetz des Mose wurde vorgelesen. D.h. wohl, daß die Betonung darauf lag, daß die Menschen hören und verstehen, wie sie als Christen leben sollen. Keine theologischen Abhandlungen, sondern Predigten, die mein Leben betreffen. Der Gottesdienstbesucher will Antwort auf die Frage: Wer oder wie ist Gott? Wie steht er zu mir? Was will Er, das ich tun soll?

3.. Lobpreis, Buße und Lehre. Der Lobpreis folgt danach, nicht davor. Zuerst wird das Wort Gottes gelesen, dann lobt Esra den Namen Gottes und die Gemeinde lobt Gott - interessanterweise mit "erhobenen Händen". Der moderne Pietismus tut sich schwer mit dieser "charismatischen Äußerlichkeit". Aber wer sich beim Lesen bisher an der Betonung des Wortes Gottes gefreut hat, der möge auch diese kleinen Wahrheiten nicht außer Acht lassen. Es folgt, was man nicht machen kann. Etwas, nachdem viele Geistliche sich sehnen. Umkehr, Buße, Erweckung. Wie in der Liturgie - leider so oft scheinbar ohne Leben - wird das doppelte Amen gesprochen. Die Menschen werfen sich zur Erde. Im katholischen Gottesdienst empfinde ich das Knien oft als eine Hilfe, worin mir die Heiligkeit Gottes bewußter wird. Wir spüren, wieviel noch in den Gottesdienstformen vorhanden ist und müssen bei Neuerungen immer überlegen: was hat einen guten, biblischen Grund. Oder anders gefragt: ist die Form langweilig und nicht mehr zeitgemäß? Wir wollen bedenken, daß auch das Volk Israel Zeiten erlebt hat, wo für sie genau diese Formen nur noch Äußerlichkeiten waren. Es ist wohl eine Herzenssache. Die Form kann tot sein oder lebendig. Es hängt von dem ab, der sich in ihr bewegt. Einziges Kriterium für die Form: betont sie, was Gott will, daß betont werden soll. Dazu hat die Form natürlich einen maßgeblichen Einfluß. Nun erfolgt in Vers 8 etwas, was man mehrmals lesen muß. Offenbar las Esra aus der Schriftrolle, abschnittsweise (V.8) und die Leviten gingen unter die Gemeinde und legten ihnen das Wort Gottes so aus, daß sie es verstehen konnten. Eine eigenartige Form, daß die Leviten hier den Dienst der Auslegung durchführen. Es läge nahe, daß Esra auslegt. Aber die Gemeinde wurde vielleicht in Gruppen gefaßt und man sprach "deutsch" über das Gehörte. So drehte sich alles um das Wort Gottes um sein Verständnis. Das war Dreh-und Angelpunkt dieser ersten Versammlung. Ich möchte dabei betonen, daß ich nicht glaube, daß man daraus ein Gesetz machen müsse. So und so müssen nun alle Gottesdienste gestaltet werden. Aber ich meine, wir erkennen Grundlinien, Gewichtungen, Gottesdienstelemente auch in ihrem zeitlichen Verhältnis, und daraus kann man lernen und umsetzen.



3.2 Bußtrauer als Reaktion (V.9) und Aufruf zur Freude an Gott (V.10-12)

Die Gemeinde weinte. Zugerne hätte ich gewußt, aus was Esra las. Es gibt ja Text wie 3Mose 26 mit dem Fluch-und Segenskatalog, der dem Leser wirkliche Angst einjagen kann. Aber Angst vor Gott soll nicht sein. Wohl ist es gut, wenn mir in heiliger Weise meine Schuld vor Augen steht. Und kann es nicht etwas ungemein Befreiendes sein, über seine Schuld zu weinen? Ist es nicht heute so, wenn man konkret Dinge anspricht, das entweder Ausflüchte, wütendes Schweigen oder das Gesagte der Lächerlichkeit preisgegeben wird? Aber Gerichtspredigten sind tatsächlich keine Lösung. Gottes Geist muß es bewirken. Er überführt von Schuld und Sünde. Esra hat ja nur aus dem Wort Gottes vorgelesen. Gottes Geist hat die Gemeinde überführt. Wie können wir es aber wieder erleben, daß Gottes Geist solch ein Wirken schenkt? Es kann und darf darauf sicher keine schnelle Antwort folgen. Aber ich meine in Nehemias Gebetshaltung eine Teilantwort zu erkennen. Die Bußhaltung, das Erschrecken der eigenen Schuld mag furchterregend klingen, es ist aber in Wahrheit geistlich heilsam. Selig ist hier der "geistlich Arme". Selig der Mensch, der erkennt und begreift, daß er Gott nichts zu bringen hat. Selig, ja freuen dürfen sich diese Menschen, denn der Herr bekennt sich zum bußfertigen Menschen. Es scheint, als müssen auch und gerade Christen sich an den Gedanken gewöhnen, daß auch sie immer wieder eine neue Art der "Bekehrung" brauchen. Nicht, um das Heil erneut zu erringen, aber um umzudenken, sich ansprechen zu lassen, das festgefahrene, geistliche Lebensboot wieder von Gott flott gemacht zu bekommen. Wer so etwas erlebt, der hat Grund zum feiern. Hier wird deutlich, daß das Leben als Christ kein Trauerspiel sein soll. Ernst und Trauer hat seine Zeit, Freude hat seine Zeit. Aber gerade die Freude an Gott ist entscheidender Motor für den Gehorsam. Diese Freude findet ihren adequaten Ausdruck in den großen, biblischen Festen. Die Freude am Herrn ist die Kraftquelle. Gemeint ist nicht die Freude, weil es einem finanziell gut geht. Im Gegenteil, dieser soll dem abgeben, der nichts hat (V.10). Diese Freude, die dem Leiden des Freudlosen mit einer Egal-Haltung gegenübersteht oder ihn womöglich noch diffamiert, weil er eben als "Christ so freudlos ist", diese Freude ist keine geistliche, diese Freude findet man im säkularen Alltag in vollem Maße. Es muß sich um eine Freude handeln, die sich an Gott und sein Wort erfreut und den Nächsten in diese Freude einbezieht. Das Wort Gottes ging voraus, das Weinen über die eigenen Vergehen gingen voraus, das Hören und Verstehen von Gottes Wort gingen voraus und das Befolgen von Gottes Wort wird dankbar in Angriff genommen - daraus ensteht eine Freude, die vielleicht noch entdeckt werden muß.



3.3 Feier des Laubhüttenfestes in Hütten aus Zweigen (V.13-18)

Im "Festrhytmus" der Gemeinde wurde im siebten Monat das "Laubhüttenfest" gefeiert. Auch hier freut man sich an dem - ich möchte fast sagen - kindlichen Eifer dieser Gläubigen. Sie berufen zuerst eine Gemeindesitzung (V.13). Eingeladen waren alle, die für Menschen geisltliche Verantwortung trugen. Das waren alle Väter und die Priester und Leviten. Sitzungsleiter war Esra (nicht Nehemia). Sie alle studierten mit Feuerseifer genau, was der Herr will. Wie, wann und warum soll man feiern. Sie wollten nicht irgendwelche, geistlichen Aktionen starten, sondern gezielt fragen: was willst Du Herr, das wir tun sollen? Und vieles, was der Herr explizit will, haben wir im Wort Gottes. Wir brauchen es nur zu studieren, um "Einsicht in die Worte des Gesetzes zu gewinnen!" (V.14). Bei dieser Runde wäre ich gerne dabei gewesen. Es hat gar nicht den Charakter einer schweigenden Runde, wo einer predigt, die anderen schweigen. Alle suchen, forschen und grübeln im Wort Gottes und wollen Weisung haben für die, die ihnen anvertraut sind. Und sie werden sofort aktiv. Nicht ein heißes Diskutieren, danach Klönen bei Tee und Gebäck. Sie wurden aktiv, gingen hinaus, setzten um. Überall in der Stadt wurden aus Zweigen Lauben gebaut. Erinnert werden sollte Israel daran, daß ihre Vorfahren beim Auszug aus Ägypten in Hütten lebte. Es soll also an die große Heilstat Gottes erinnert werden. Dieses Fest feierte man zentral in Jerusalem. Und selbst hier wurden die Israeliten nicht müde, das Wort Gottes zu hören. Unklar bleibt die Bemerkung von Vers 17. Das würde bedeuten, daß man das Laubhüttenfest, zumindest so umfassend und zentralisiert, seit der Zeit Josuas nicht mehr gefeiert hat. Es geschieht - wie immer es zu verstehen ist - eine Umkehr zur Schrift! Das erbitte und wünsche ich mir für mein Leben und für unser Volk.