Bibelarbeit über Psalm 115,1

von Michael Strauch


  1. Kurze Exegese


Luther:

Nicht uns, Herr, nicht uns,

sondern deinem Namen

gib Ehre

um deiner Gnade und Treue

willen.


LXX:


Mä hämin, Kürie, mä hämin

all hä toh honomati sou

dos doxan

epi toh eleei sou kai tä aläthaia sou


  1. Doppelte Verneinung

Im hebräischen fällt die extreme Verneinung „lo kanu, Jahwe, lo kanu...“ ins Auge. Weiter wird nicht der allgemeine Gottesbegriff „Elohim“ benutzt, sondern Gottes heiliger, von den Juden nicht auszusprechender Name Jahwe.


Die Verneinung wird zweifach wiederholt unter Unterbrechung des großen Bundesnamens Gottes. Man könnte den Eindruck bekommen, dass der Redner energisch oder/und sehr bestimmt etwas ablehnt, etwas weit hinter sich weist. Nicht uns, nicht uns...

Wenn jemand etwas vehement ablehnt, dann liegt darin eine tiefsitzende Erfahrung. Manche haben eine kranke Haltung, sogenannte Phobien. Dies ist hier nicht der Fall. Aber es kann sein, dass der Psalmist etwas erlebt und erfahren hat, was ihn dazu führt, etwas mit großer Bestimmtheit abzulehnen. Nicht mir, Herr Herr, nicht mir... Aber was lehnt der Psalmist ab?


  1. Doxa, kabod (kabed), Ehre


Die ursprüngliche Bedeutung von Kabod ist „Gewicht haben, gewichtig sein“. Und das gibt es in unserem Sprachgebrauch auch. „Das ist eine gewichtige Persönlichkeit!“ Oder: „was Sie sagen ist von großem Gewicht!“ Gemeint ist, dass jemand in seiner Person besondere Achtung erfährt. Oft sind es Politiker, Bürgermeister, hohe Beamte oder irgendwelche bekannte Menschen. Ihr Gewicht haben sie nicht durch sich selbst, sondern durch das, was sie tun und wie die Mitmenschen diese Taten bewerten. Dann wird so jemand geehrt. Es gibt auch Ehrenbürger. Helmuth Kohl soll sogar ein Ehrenbürger Europas sein. Menschen ehren Menschen schon seitdem es sie gibt. Jeder Mensch sehnt sich mehr oder weniger nach Ehre. Der Sportler gewinnt Ruhm und Ehre. Costa Cordales gewinnt Ruhm und Ehre in seiner Urwald-Soap. Viele tun das, was sie tun, um Beachtung zu finden. Sie sehnen sich danach, geehrt zu werden.

Der Psalmist will nicht geehrt werden. Er lehnt es kategorisch ab.


Kabod meint aber auch „Reichtum“

In 1.Mose 31,1 heißt es: „...und nur von unseres Vaters Gut hat er solchen Reichtum (kabod) zuwege gebracht...“ Wer reich ist, wird geehrt. Da sind wir wieder. Reichtum bringt Anerkennung. Viele Deutsche denken streng materiell. Denn Geld bringt Ehre. Und Ehre bringt Macht und Einfluss.

Kabod bedeutet aber auch „Herrlichkeit“. In 1Kön 8,11 lesen wir: „...denn die Herrlichkeit (kabod) des Herrn erfüllte das Haus des Herrn...“

Hier wird deutlich, dass Kawod auf Gott angewendet meint: dass aller Reichtum, alles Gewicht bei Gott liegen. Er erfüllt das ganze Haus mit der Größe seiner Person.

In Maleachi 1,6 wird uns plastisch vor Augen geführt, wohin es führt, wenn man Gott nicht die Ehre gibt. Dieser Abschnitt in Maleachi ist interessant bei der Frage „Ehre“.



„Ein Sohn soll seinen Vater ehren und einen Knecht seinen Herrn. Bin ich nun Vater, wo ist meine Ehre? Bin ich Herr, wo fürchtet man mich?spricht der Herr Zebaoth zu euch Priestern....“


Gott hält einen höchst interessanten Dialog, indem er aufdeckt, wie die Priester die Frage der Ehre handhaben. Dabei opfern sie „augenscheinlich“, wie Gott es fordert. Was nur Gott weiß ist, dass die Tiere oft fehlerhaft sind. Gott sagt, sie sollen doch genauso mit Fürsten verfahren, wie diese wohl reagieren?

Hier wird deutlich, dass der Mensch dem höher gestellten Menschen mehr Ehre – das heißt Achtung, Gehorsam und Ehrfurcht - entgegen bringt als Gott. Der Mensch ist nunmal vor Augen, Gott nicht.


So sind wir in einem Dilemma. Sehr deutlich ist es uns vor Augen gestellt, dass der Mensch entweder nach eigener Ehre trachtet, oder bestrebt ist, andere zu ehren. Während man Gott oft nur dem Schein nach ehrt. Und es muss so sein: denn wenn der Mensch geehrt wird, dann geht es ihm oft schnell zu Kopfe und er kreist um sich selbst. Er schaut auf seine Kraft, seinen Einfluss, seine Taten. Und die Menschen hoffen, dass von diesen Menschen Kraft ausgeht und das, was sie in die Hand nehmen, zum Erfolg führt. Auch Christen sind von dieser Heuchelei nicht befreit.

Der Psalmist muss erkannt haben, dass der Mensch nicht wirklich helfen kann. Gott die ganze Aufmerksamkeit zu widmen, Gott gehorsam zu sein und alles von ihm zu erwarten, dass ist Gott ehren. Denn Gott ist treu und was er sagt und tut, ist Wahrheit. Welcher Ehrenbürger kann das von sich behaupten?


  1. Letzter Hinweis in Sachen Ehre


Wenn man genau liest, so stellt man aber noch etwas fest. Es heißt nicht „ich soll Dir, Gott die Ehre geben und nicht mir...“ Wörtlich: „Nicht uns, Herr Herr, nicht uns gib Ehre...“ Das würde ja bedeuten, dass Gott uns ehren wollte und wir diese Ehre ablehnen. Im hebräischen steht das Verb „geben“ im Imperativ (Befehlsform). Ich denke, gemeint ist: verschone uns davor, dass wir Menschen zu Ehre kommen. Denn auf uns ist kein Verlass. Wenn Du nur handest, wenn Du regierst, wenn Du die Dinge beherrschst, dann ist es das Beste so. Denn Gott, der Herr ist wahrhaftig und treu. Und wir sind indirekt geehrt durch Gottes Zuwendung. Gott ehrt uns, indem er sich uns ganz zuwendet. Er gibt uns Gewicht und hat uns lieb. Das muss genügen.















Kurzpredigt anläßlich eines 70.Geburtstag

Sonntag, den 28.Februar 2004


Text: Psalm 115,1: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deiner Gnade

und Treue willen.



Lieber Festgäste!


Als ich gebeten worden bin, über den ersten Vers aus Psalm 115 etwas zu sagen, so habe ich gleich freudig Ja gesagt. Das sei doch mein Beruf, da ich täglich mit der Bibel arbeite, habe ich gesagt. Doch je mehr ich mich diesem Vers Tag für Tag zuwandte, desto schwindliger wurde mir. Dieser Vers birgt ein Geheimnis. Und vielleicht muss man 70 Jahre alt sein und älter, um nicht nur darüber zu sprechen, sondern es auch zu verstehen. Besonders ein Wort stach mir immer wieder ins Auge: Ehre!

Der Verfasser dieses Psalms lehnt sie mit großer Vehemenz ab. Nicht uns, nicht uns...! Im Hebräischen steht die strarken Worte Lo, Lo – nicht nicht! Wenn Menschen etwas so stark ablehnen, dann müssen sie entweder ein schreckliches Erlebnis damit verbinden oder sie haben etwas ganz tiefgreifendes begriffen. Nur was?

Der Psalmist lehnt die eigene Ehre ab! Das ist vielleicht die härteste Nuss in diesem Text. Das hebr.Wort kabod meint eigentlich „Gewicht haben“. Es kann auch mit Reichtum und mit Herrlichkeit übersetzt werden. Auch wir sprechen von Menschen, die Gewicht haben. Gewichtige Persönlichkeiten – damit meinen wir nicht die Anzeige auf der Waage – sondern eine Person, die Macht und Einfluss über andere hat. Ein Mensch, der sich besonderer Verdienste rühmen kann, wird vielleicht auch zum Ehrenbürger ernannt. Helmuth Kohl soll sogar Ehrenbürger Europas sein. Das Wort Ehre kann man vielleicht auch mit „Karriere“ übersetzen. Die meisten Akademikerinnen verzichten heute auf Kinder, weil sie ihrer Karriere im Wege stehen. Und die Arbeit einer Mutter bringt ja bekanntlich wenig Ehre ein. Ehre bekommen heißt, von Menschen beachtet zu sein. Die Worte eines geehrten Menschen haben Gewicht. Der Psalmist von Ps 115 lehnt etwas ab, wonach alle Welt strebt: nicht uns, Herr, nicht uns gib Ehre... Warum nicht?

Ich sah kürzlich ein Interview mit Helmuth Kohl. Er hat in seinem Leben sicher viel erreicht und – so Angela Merkel – ist besonderer Verdienste gewürdigt. Kohl sprach vom Ehrenbürger Europas und all die anderen Ehrentitel wolle er nicht auch noch erwähnen. Doch dann kam der schwarze Tag mit der Spendenaffäre. Wir alle haben es sicher verfolgt. Kohl sah sein Vergehen ein, aber was ihn – so betonte er – am meisten schockierte, dass selbst seine besten Freunde ihm den Rücken kehrten. Wer alle Ehre beansprucht, hat vielleicht auch nie Freunde gehabt. Dann das schreckliche Erlebnis mit seiner Frau, die am Ende kein Licht mehr ertragen konnte und sich das Leben nahm. Der Mensch wird geehrt, solange er nicht fällt. Bis dahin muss er alles bringen, alles können, alles sein.

Der Psalmist hat es verstanden: Ehre ist etwas, was uns Menschen eigentlich völlig überfordert. Ehre ist im tiefsten Grunde Gift für unsere Seele, weil wir uns immer nach ihr sehnen und sie nur kurz bekommen. Ehre führt dazu, das wir alle perfekt sein müssen.

Ich glaube, dass Gott dass einzige Wesen ist, das mit der Ehre richtig umgehen kann. Warum? Weil er alles kann! Weil er vollkommen ist. Weil er Herr über die Ehre ist und nicht umgekehrt. Und weil er in sich selber ruht und sich nicht schmeicheln läßt. Nicht mir, Herr, nicht mir gib die Ehre, sondern Dir allein.

Ich glaube, dass ein Mensch, der deutlich an seine Grenzen gestoßen ist, dies besonders verstehen wird. Auch Ludwig hat Zeiten in seinem Leben gehabt, wo er sich nicht wie Münchhausen am eigenen Zopf herausziehen kann samt denen, die er liebt. Weise ist der Mensch, der begriffen hat, dass Gott alles ist und seine ganze Hoffnung auf Gott setzt. Weise ist der Mensch, der die Ehre von sich weist, weil er weiß, dass er ohne Gott nichts ist und nichts vollbracht hat. Weil er weiß, wie wankelmütig das Urteil von Menschen ist. Weil er weiß, wie begrenzt unsere Möglichkeiten sind. „Gott, gib Dir die Ehre. Um deiner Treue und Gnade willen“. Gott ist treu. Er hält zu uns, auch wenn wir fallen und das Falsche tun. Er ist uns gnädig und nimmt uns am Ende mit Ehren an. Amen.