Exegese zum Psalm 30


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1 Übersetzung

1 Ein Psalm. Ein Lied zur Einweihung des Hauses "3. Von David

2 Ich will dich erheben, HERR, denn du hast mich emporgezogen und ließest meine Feinde sich nicht über mich freuen.

3 HERR, mein Gott, zu dir habe ich geschrien und du hast mich geheilt.

4 HERR, du hast meine Seele aus dem Scheol herausgeholt, hast mich am Leben erhalten

und bewahrt ) vor dem Hinabfahren zur Grube.

5 Spielt dem HERRN, ihr seine Frommen und preist zu seinem heiligen Gedenken!

6 Denn einen Augenblick ( stehen wir ) in seinem Zorn, ein Leben lang in seiner Gunst;

am Abend kehrt Weinen ein, und am Morgen ist Jubel da.

7 Ich aber dachte in meiner Sorglosigkeit: "Niemals werde ich wanken."

8 HERR, in deiner Gunst hattest du mich auf feste Berge gestellt. Du verbargst dein Angesicht, da wurde ich bestürzt.

9 Zu dir HERR, rief ich, und zum Herrn flehte ich:

10 "Was für Gewinn bringt mein Blut, mein Hinabfahren in die Grube? Wird der Staub dich preisen? Wird er deine Treue verkündigen?

11 Höre, HERR, und sei mir gnädig! HERR, sei mein Helfer!

12 Mein Wehklagen hast du mir in Reigen verwandelt, mein Sacktuch hast du gelöst

und mich mit Freude umgürtet,

13 damit meine Seele dich besinge und nicht schweige. HERR, mein Gott, in Ewigkeit will ich dich preisen.

(Rev. Eberfelder Bibel)



2. Hauptteil



2.1 Textfindung

Vers 1: "Hauses" vermutliche genauere Beschreibung: nämlich des Tempels

Vers 4: Mehrere alte Übers. lesen: "hast mich gerettet aus den zur Grube Hinabfahrenden."

Vers 6: "einkehren", w. "Übernachten", "über Nacht bleiben"; wörtlich: "Ja nur kurz (er handelt) in seinem Zorn, lebenslang in seiner Huld.

Vers 8: so nach der aram. Übers. Mas- T.: "hast du Kraft zu meinem Berg aufgerichtet"

Vers 10: "deine Treue - oder "Wahrheit"

Vers 12: Sacktuch als Trauerkleidung

Vers 13. "Ehre, Würde"- vgl. Ps 7,6; "meine" fehlt im Mas. T., steht aber in der LXX

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2.2 Die literarische Eigenart des Textes



Psalm 30 ist ein davidischer Psalm, der höchstwahrscheinlich von David selbst gedichtet ist, oder an David ausgehändigt wurde. Der Psalm befindet sich im ersten Buch der fünf Bücherder Psalmen (Ps 1- 41), welche fast alle mit dem Titel "von David" überschrieben sind und auch als Jahwepsalmen bezeichnet werden. Der Psalm gehört zur Gattung "der berichtenden Lobpsalmen des Einzelnen". "Ps 30 ist in poetischer Hinsicht einer der besten, ausgezeichnet durch leichten, trotz des schwierigen Metrums flüssigen Stil, durch schöne und treffende Bilder, durch klare Disposition und einheitliche Stimmungen." (Vgl.H.J. Kraus , BKAT, S.386)



2.3 Aufbau des Textes



2.3.1 Grobraster

V 2a+ V 13b: Die Willensäußerung; Den Herrn zu erheben im Lob, dies ist das Ziel der

Verkündigung und bildet hier den Rahmen des Psalms



V 2b- V 13a Die Begründung, verknüpft mit dem Bericht von der Errettung



2.3.2 Chronologie der Ereignisse:

V 8a Ausgangspunkt: Die Gnade Gottes - der sichere felsenfeste Stand



V 7 Der menschliche Übermut



V 8b Die Reaktion Gottes (gegenüber dem Übermut)



V 9 Der Hilferuf aus der Tiefe



V 10 Der Vorwurf



V 11 Die Bitte um Gnade und Hilfe



V 13 Gebetserhörung



anschließendes Lob und der Aufruf zum gemeinsamen Lob



2.3.3 Aufbau

V 2a+ V13b: Entschluss, Gott zu loben

V 2b Gottes Eingriff läßt Feinde verstummen

V 3- V4 Der Schrei und die Rettung

V 5- V6 Der Aufruf an die Frommen, Gott für seine Gnade zu loben

V 7- V8a Der Mensch im Übermut

V 8 b Gott wendet sich ab

V 9- V 11 Die Klage

V 12- V13a Der wunderbare Eingriff und der Sinn des Erlebnisses ( V 13a)



2.4 Textbeobachtung

Gott loben und ihn verherrlichen ist für den Mensch eine Sache des Willens (V 2+13)

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* Acht mal wird der Name Jahwe gebraucht und einmal Adonal (V.9b)

* V 2- V6 kann als ein abgeschlossener Kreis betrachtet werden, der durch V 7- V13 nochmals neu umkreist und ausgeweitet wird.

* "Das "Du" der Anrede Jahwes dominiert, welchem das "Ich" des lobenden und dankenden

Beters gegenübersteht." (H.Spieckermann, die Theologie der Psalmen S.255)



2.5 Literarkritik



Hermann Spiekermann (S.257 Z.1-15) geht von einer Grundfassung des Psalms aus, in welcher auf V.2-4 sofort V.7-8 gefolgt ist. Für ihn ist das Erklärungsmodell traditions-geschichtlicher Vielschichtigkeit in literarisch einheitlicher Gestalt für V.2-4 und V.7-13 tragfähig, nicht jedoch für V.5.6, obwohl auch sie in die formale Letztgestalt des Psalms integriert sind. Ihm fallen folgende Eigenarten der Verse auf, die ihn dann zum Ergebnis verhelfen, dass diese Verse besser als ein literarischer Nachtrag mit formaler Anpassung an die Vorlage zu verstehen seien:

a) Im ganzen Psalm sei nur hier die Rede von Jahwe in der 3.Person Singular maskulin .

b) Der kollektive Lobaufruf steht an unpassender Stelle mitten im Psalmkorpus

c) V.6 sei eine nachträgliche Vorwegnahme und somit eine Doppelung des theologischen Gehaltes von V.8. Durch Entfernung von V5.6 entstehe ein flüssiger sinnvoller Zusam- menhang zwischen V.4 und V.7, weil 11 dann auf den Rettungsbericht gleich der Rückblick auf die zugehörige Notsituation folge.




2.6 Exegese



Vers 1: Die Überschrift des Psalms

bietet für das Textverständnis Schwierigkeiten, da zunächst kein offensichtlicher Zusammenhang mit dem Inhalt besteht. Im Psalm selbst findet sich kein Wort vom Tempel, vom Tempelbau oder von der Tempeleinweihung. Der Inhalt des Liedes, das musikalisch aufgeführt wurde, beschreibt vielmehr die Rettung aus Todesgefahr, die Reinigung der Haltung gegenüber Gott durch eigenes Erleiden und das Eingreifen Gottes, das zum Lob führte Eine weitere Schwierigkeit beim Textverständnis liefert die Tatsache, dass David selbst nie einen Tempel einweihen konnte, da ja erst sein Sohn Salomo den Tempel bauen sollte, wenn sich David zu seinen Vätern gelegt haben würde (2.Sam 7,12 f). Von daher kann dies nur ein Lied zur noch bevorstehenden Tempeleinweihung sein, die Salomo dann vollzogen hat (2.Chr 5u.6), und wo mit Wahrscheinlichkeit dieses Lied gesungen wurde. (2.Chr 5,12+13).

Allerdings läßt sich das Ereignis der "gottlosen" Volkszählung Davids (2. Sarn 24 u. 1.Chr 21 und 22 mit Ps 30 verbinden. Der Mutwille der Volkszählung (vgl.V 7a) , und die Bewahrung Jahwes vor der Pest "hinabfahren in die Grube" (TV 2+3). Hier legt David den Tempelplatz fest und sagt: "Das hier soll das Haus Gottes, des HERRN, sein und das derAltar zum Brandofper für Israel" (1.Chr 22,1).

Artur Weiser (A.Weiser, ATD S.170) vertritt die Auffassung, dass diese Überschrift jedoch deutliche Merkmale späterer Entstehung in sich trägt und der Psalm bei der Einweihung des Tempels verwendet worden ist.





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Vers 2a: Der eigene Entschluss und die Begründung, Gott zu loben



"Mit diesem ersten Satz nimmt der Anfang des berichtenden Lobpsalms das Lobversprechen auf, das am Ende vieler Klagespalmen steht. Was dort zusammen mit der Bitte um Rettung aus der Not gelobt wurde , das wird hier ausgelöst, nach der Erfahrung der Rettung. Der Satz ist ein Bindeglied zwischen Klage- und Lobpsalm. Das Verb "erhöhen" (von rum = hoch sein) ist ein Synonym für loben, preisen; es bringt ein besonders Moment des Gotteslobes zum Aus-druck: im Loben wird Gott erhöht."(K.Westermann, Ausgewählte Psalmen S.123). Gott wird in der Bibel nie nur onthologisch betrachtet und gelobt, seine Höhe und Größe als Gott wird immer mit seiner Offenbarung verbunden. Es geht um einen Gott, der handelt. Gott hat den Beter erhöht, jetzt will er Gott mit seinem Munde erhöhen. Wo Gott mit seinem Tun Wunder wirkt, da kann der Mensch ihn als "Gegenleistung" nur ehren. Gott hat ihm emporgehoben oder -gezogen, wie man einen Schöpfeimer aus dem Brunnenloch zieht (Ex 2,16.19), aber jetzt, wo der Eimer oben ist, muß der Inhalt (das Lob) überströmen. " Die Rettungsbewegung von unten nach oben spiegelt sich in der Bewegung des Gotteslobes wieder (vgl. Ps 34,4+5). Die Ab- und Aufwärtsbewegung wird auch weiterhin im Ps 30 zur Umschreibung von Not und Rettung verwandt (V 4, 10)."

(H.Spieckermann, die Theologie der Psalmen S.257)




Exkurs zum Thema Loben und Danken

( Zusammenfassung der Thematik nach Claus Westermann "Lob und Klage in den Psalmen" S.20-23)

Claus Westermann stellt fest, daß es im Hebräischen keine eigenständige Vokabel für das Verb

danken gibt. Selbst im Deutschen wird danken von denken abgeleitet und ist somit eine

Sekundärbildung. Im Russischen gibt es heute noch ein Wort im Sinn von danken, das "Ehre

geben" bedeutet. Westermann kennt keine Sprache, in der danken eine eigene Wurzel hat. Dies legt nahe, dass sich dieses Verb von einem umfassenderen Verb abgelöst hat und so z. B.im Deutschen ein eigenes Vollverb wurde. Im AT ist dies jedoch nicht der Fall.Wo im AT das Verb hodah gewöhnlich mit danken übersetzt wird, wird es aber niemals in der zwischen-menschlichen Beziehung gebraucht. Von daher muß es eine andere Bedeutungsnuance haben. Im Verb berek drückt sich am ehesten der Dank zwischen Menschen aus. Hier hat jedoch das Verb die Bedeutung von segnen (vgl. 5.Mo 24,13; 2.Sam 14,22; Hiob 31,10; Neh 11,2) oder huldigen durch Nieder-fallen (vgl. 2.Sam 9,8; 14,22; 16,4; lKön 1,3; Rut 2,10). Hier wird deutlich, dass es unseren verständigten Begriff von Danken im AT noch nicht gibt, und wo das Danken auf Gott geht, da ist es vom Lob umfangen . Was hat zu der Isolierung des Dankes aus dem Loben geführt? Westermann stellt fest, dass dort, wo sich der Dank ausbreitet und das Loben verstummt die Entwicklung zum Individualismus fortschreitet. Die Gemeinschaft ist nicht mehr eine Selbstverständlichkeit und das Individuum muß deshalb durch das Geben und Empfangen des Dankes die Gemeinschaft sichern.



Sechs Hauptunterschiede im Bezug auf Lob und Dank:



1. Im Loben wird der Gelobte erhöht, im Danken bleibt der Bedankte an seiner Stelle.

2. Im Loben bin ich ganz auf den anderen ausgerichtet, es ist ein Wegsehen von mir. Im Danken bedanke ich mich.

3. Loben geschieht in Freiheit und Spontanität Danken kann zu einer Verpflichtung werden.



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4 . Zum Loben gehört im Normalfall das Forum. Danken geschieht unter vier Augen.

5. Zum Loben gehört die Freude. Loben kann man nicht gebieten. Dank muß jedoch oft geboten werden und geschieht somit oft gezwungen.

6. Wichtigstes sprachliches Unterscheidungsmerkmal: Beim Lob ist der andere Subjekt, beim Danken bin ich das Subjekt ("du hast getan "oder " du bist... ").




Vers 2b Erweiterte Erklärung des Lobes : Die Überwindung der Feinde:



Wenn in den Psalmen von den Feinden gesprochen wird, dann sind es meist nicht nur Feinde des Beters sondern oft auch Feinde Jahwes (Ps 119,41+42; 119,157+159, Ps 139,19-21). Letztendlich stehen sich nämlich Jahwe und seine Feinde gegenüber, da der Beter wie ein Bote, Gesandter seines Herrn ist, und vor ihm lebt. Hier kommt dann die Klage des Beters auf "Herr, kannst Du es zulassen, dass man Dich verspottet?"(vgl Ps 74,10.18, Ps 89,52). Der gottverbündete Mensch empfindet es gedanklich als Skandal, wenn er vor den Feinden Gottes zugrunde geht.

"Die Feinde treten in den Gebetsliedem der Kranken an bezeichnender Stelle hervor. Sie urteilen

über den Leidenden als einen sichtbarlich "von Gott Verlassenen", sie stöbern die Ursache der

Krankheit in einem "Vergehen" auf und verspotten den unter seiner "gerechten Strafe" Dahin-sichenden. Die Feinde erklären auch den nahenden Tod als definitive Scheidung von Jahwe und "freuen sich" über den Erfolg ihrer Existenzanlyse ." (Siehe H.J.Kraus BKAT S.387)



Vers 3+4: Schrei und Rettung

"Jahwe mein Gott", in dieser Anrede steckt schon die Rettungserfahrung und die Freude der Anbetung. In V.3 wird in Kürze schlicht das Tun des Beters in der Not und das Eingreifen Gottes in die Not beschrieben. Mit "Du hast mich geheilt" könnte der Psalm schon hier schließen.

Wenn jedoch von dem heilenden Eingreifen Gottes die Rede ist, so muß dies nicht unbedingt auf eine Krankheit gedeutet werden. Leben ohne Gott ist erbärmliches, krankes Leben. Man kann zwar äußerlich gesund sein und doch aufs Ganze gesehen krank sein, wenn durch Sünde die Beziehung zum Lebensspender unterbrochen ist. David redet in Ps 5 1 vom "Gott des Heils", als Gott ihn aus der Blutschuld rettet. Zudem, da wo Gott sein Antlitz verbirgt, steht nichts von Krankheit, sondern von Schrecken, sprich Bestürzung. Allerdings ist es gut möglich, dass Gott den Schreihals von der physischen Krankheit geheilt hat; dann sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Gottlosigkeit des Herzens die grundsätzliche Krankheit des Menschen ist, die Gott immer heilt, wenn sie der Mensch erkennt und bekennt.




Scheol und Grube (Vers 4):

Sche-ol (gr. hades) bedeutet so viel wie Senkung, Tiefe, Öde, Wüste und Unordnung und bezeichnet die Totenwelt Es ist die Unterwelt (gedacht als Ort unter der Erde), in der sich alle Menschen nach dem Tode sammeln. Es ist ein Ort der Dunkelheit (Hi 10,21+22, Hi 26,5), in welcher die Beziehung zu Gott unterbrochen ist. Es ist "das Land des Vergessens" (Ps 88,13) im Gegensatz zum Land der Lebendigen (vgl. Ps 27,13; Ps 116,9; Ps 142,6 ). In ihm wird an Gott nicht gedacht (Ps 6,6) und Gott nicht gelobt (Ps 30, 10, Ps 115,17+18, Jes 38,18). Dort liegt alles im Staub (Hi 17,16; Ps 30,10), es herrscht Freudlosigkeit und Trauer.



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Allerdings ist die sche'ol im jüdischen Verständnis nicht erst der Ort nach dem Tode, sondern "sie drängt überall in den Kreis der Lebenden durch Krankheit, Schwäche, Gefangenschaft, Bedrängnis, durch Feinde und Tod." (Siehe H.Bietenhard ThBLNT Band III, S. 1365).

"Das AT sieht das Leben auf der Erde als Schauplatz für den Dienst Jahwes, hier wird sein Wort empfangen, werden ihm Opfer gebracht, ist sein Eingreifen zu erfahren. Daher ist der eigentliche Sinn des .In-der-Scheol-Seins"der, dass man von Jahwes Hand abgeschnitten ist (Ps 88, 3-5) (vgl. D.K.Innes Das Große Bibellexikon Band III, S.1365)

Wo sich Jahwe vom Menschen abwendet, da beginnt die Wirklichkeit des Todes. Der Tod des Menschen beginnt somit mit dem Ausklinken aus der Beziehung mit Jahwe. Die Macht Gottes kennt jedoch keine Grenzen, selbst im Totenreich erreicht er noch die Seele des Menschen (Ps 139,8), und er ist der Allmächtige, der selbst aus dem Scheol retten kann (Ps 16, 10). Die Grube ist ein Synonym zum Scheol. Es liegt eine Vermutung vor, dass die Grube ein Ort der Bestrafung im Scheol sei. Dies läßt sich biblisch nicht belegen. Auffällig ist aber, dass viele Texte vom "zur Grube Fahren" sprechen von einem buchstäblichen Ausgeliefertsein des Menschen ( Ps 28,1; Ps 30, 4+10, Ps 88,5; Ps 143,7, Spr 1, 12, Hes 31,14). So muß die Grube als physische Grenze für den toten Körper, dessen Seele sich schon im Scheol befindet, interpretiert werden.



Vers 5: Die Frommen sollen loben



Geschickt flicht der Psalmist die Aufforderung des gemeinsamen Lobes zwischen die Erfahrung der Rettung (V.3+4) und die Vorgeschichte (V.7+8), aber zugleich auch zwischen das eigene Lobgelübde (V.2) und seine Steigerung (V. 13). Hieran wird deutlich, dass der singende Beter im Augenblick des Lobes nicht alleine vor Gott steht, sondern im Gotteslob selbst (ganz natürlich) der Tempelgemeinde das Eingreifen Jahwes schildert. Das Gedenken Jahwes an ihn, soll zum Lobgedenken des ganzen "Volkes" werden, und hier wird "die Heilsgeschichte als Entfaltung des Jahwe-Namens zugleich eine Denkmalsetzung, eine Gedächtnisstiftung." (F.Delitzsch, Die Psalmen, Band I, S.252). Wo gesungen und gespielt wird, da ist Freude, und wo größte Freude ist, da ist Gnade, und wo höchste Gnade ist, da ist Gott selbst.



Vers 6: Gottes Zorn und Gnade



"Nur einmal wird der Zorn Gottes im AT als ein Wesenszug Gottes ausdrücklich herausgestellt, und dies in einem Zusammenhang, der von Jahwes Zorn gegen seine Feinde, nicht gegen sein eigenes Volk handelt (Nah 1,2). Der Zorn Gottes ist das Andringen des heiligen Gottes, der seinen absoluten Herrschaftsanspruch geltend macht und durchsetzt." (J.Fichtner, ThWNT Band V, S.408). Er richtet sich gegen alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit (Rö 1, 18) und ist deshalb nie willkürlich zu verstehen, sondern hat immer Anlass und Grund, welcher jedoch für menschliche Augen im Dunkeln liegen kann.

Konsequenz, Permanenz und Abwendung des Zornes lassen sich nicht berechnen und bemessen. "Dem Gottesvolk gegenüber hat der Zorn Jahwes freilich seine besondere tiefe Begründung darin gefunden dass er als Äußerung der verletzten heiligen Liebe Jahwes, als Reaktion gegen die Undankbarkeit und Untreue Israels gegenüber seiner Hinwendung zu ihm verkündet wird." (J.Fichtner, ThWNT Band V, S.408). So ist der Zorn als Kehrseite seiner Liebe zu verstehen. Der Zorn Gottes bricht da über die Menschen herein, wo Gott sein Angesicht abwendet (Ps 80,20), und wird dort aufgelöst, wo Gott sich dem Menschen



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zuwendet (Jes 54,8-10, Jes 12), im Angesicht Gottes ist Schutz (Ps 31.21). Zuwendung Gottes ist immer Gnade Ps 31,17, und Gnade bedeutet nichts anderes, als dass ein Überlegener sich nur naht, ohne dass mir etwas passiert. David schreibt in Ps 63,4: "Deine Gnade ist besser als Leben." Das heißt, dass letztlich Gottes Gnadenwille über einem ieden Leben steht, und dass das Leben vorn Gnädigsein Gottes abhängt.

Der augenblickliche Zorn Gottes und seine anschließend lebenslange Gnade sind keine Gegensätze, sondern sinnvolle Bestandteile seiner Pädagogik, so wie Weinen und Freude zur Kindererziehung gehören. Der Psalmist hat den Zorn erlebt und kam durch ihn zur Wehklage (V. 12), aber jetzt ist die Nacht durch den Morgen abgelöst;"mit dem neuen Morgen, dem Zeitpunkt des heilvollen Eingreifen Jahwes (vgl. Ps 46,6; Ps 90,14; Ps 143,8) bricht das "Jubellob " als fortan bestimmender Lebensinhalt hervor."(H.J.Kraus, BKAT S.389). Unbegrenzte Freude ist wieder eingekehrt, weil sein Herz erneut in der Gegenwart Gottes ruht.



Vers 7: Der menschliche Übermut



Die Übersetzungen von V.7a gehen von "sicherem Glück, Selbstsicherheit, Zufriedenheit bis zum Wohlergehen". Hier beschreibt der Psalmist sein "sich Einreden" vor dem Fall. Der Fall geschah, da er in "seinem sich sicher Sein" das Gnädigsein Jahwes vergaß (vgl. Deut 8, 11f, Deut 32,15.18-20). Aber aus der Sicht Gottes wanken alle Menschen mit Hochmutsgedanken (vgl.Ps 10,6)! Das "Wanken" wird im AT auf die Erde mit seinen Bergen und Hügeln bezogen, die Jahwe in seiner Macht erschüttert (vgl.Ri 5,5; 2Sam 22,8, Ps 75,4), aber auch auf den einzelnen Menschen, der ohne Gott von seinem Wege abkommt und in die Tiefe stürzt (V.4) Bei Gott aber ist er fest gegründet (Ps 55,23; Jes 35,3).



Vers 8: Das Bekenntnis der Gnade



Der Psalmist erkennt, dass die Zuwendung Gottes seine Gnade und Freundlichkeit ihn vor dem Absturz bewährt hat. In V.8a tritt die Bußhaltung deutlich zutage, in der der Beter die Gnade Gottes anerkennt und bekennt, was sie an ihm bewirkt hat. Er hatte sich an die Gabe gehängt, statt an den Geber, und da mußte ihn Gott verlassen, damit das falsche Fundament zerbrach und die wirkliche Sicherheit in der gnädigen Gegenwart Gottes neu entdeckt werden konnte. Der Berg / Fels wird im AT als Ort der Bergung und Sicherheit verstanden (Ps 31,3+4, Ps 40,3, Ps 62,3 ), und David`s ganzes Leben ist vom Schutz in den Bergen gekennzeichnet (vgl.1.Sam 23,14f).



Vers 9 greift nochmals das Schreien in der Not auf (V.3) und leitet zugleich die Klage ein, die mit V.10 und V. 11 inhaltlich gefüllt wird. V.9a ist die Anrede "Gott", V.9b kann als Bekennt-nis vor dem Gottesvolk gedeutet werden (jch flehte zu meinem Gott"). Interessant ist der Wechsel der Gottesnamen.



Vers 10/ 11.- Die Klage ("Was für Gewinn bringt mein Blut...?")



Lev 17,11 gibt uns Aufschluß über die Bedeutung des Blutes im AT: "Denn des Leibes Leben ist im Blut, und ich habe es euch für den Altar gegeben, daß ihr damit entsühnt werdet. Denn das Blut es die Entsühnung weil das Leben in ihm ist (vgl. Lev 17,14)." So ist Blut zunächst das Sühnermittel für menschliche Mißachtung der Gebote Gottes und symbolisiert beim



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Sündopfer immer das Sterben (Verbluten) des Schuldigen., welches Gott durch das Tieropfer erläßt. Wenn also in Ps 30, 10 vom Gewinn des Blutes gesprochen wird, so ist davon abzu-leiten, dass der Beter mit Sicherheit seine Schuld vor Gott erkannt hat, jetzt aber Gott die Aussage vorlegt, dass sein Tod für den eigentlichen Sinn des Leben nichts bringt, denn mit seinem Tod verstummt auch sein Gotteslob. So stellt der Beter Gott die Fragen: "Wird der Staub dich preisen? Wird er deine Treue verkündigen? "

Der Staub (hebr. atomar) ist im AT 110 x belegt und begegnet uns als Bild für Menge und Überfluß (Gen 13,16; Gen 28,14), völlige Vernichtung (2. Sam 22,43: Jes 41,2), für Wert-losigkeit und Nichtigkeit (Zeph 1, 17 "ihr Blut soll vergossen werden, als wäre es Staub", Ps 7,6, Hi 22,24), sowie für Erniedrigung und Demütigung (2.Sam 16,13, Jes 25,12). In der weiteren theologischen Verwendung wird dann auch vom Menschen selbst gesagt, dass er aus Staub gebildet wurde (Gen 2,7, Gen 3,19) und wieder zum Staub zurückkehrt (Gen 3,19; Hi 10,9; Ps 146,4). "So setzt das AT den Toten dem Staub gleich, nennt die Toten "die im Staube wohnen ; (Jes 26,19), "die im Staubland schlafen" (Dan 12,2) und bezeichnet die Sterbenden als "die sich im den Staub betten" (117,21, 20,11)." (G.Wanke; ThHAT Sp.355). Von daher hat die Verwendung von afar in V. 10 einen starken Bezug zu V.4, wo vom sche'ol gesprochen wird. ( M.Buber übersetzt "hinabfahren zur Grube" mit"sinken zur Schluft. In seiner Wortschöpfung Schluft steckt wahrscheinlich der verbindende Gedanke von Schluff (= kleinste Staubpartikel, sogenannte Staubblättchen) und Gruft). Der Psalmist verbindet jetzt den Gedanken des Ausblutens, des zum Staube Werdens mit dem Gedanken der Gottesverkündigung und kommt zum Schluß, dass der vorgreifende Tod Gott nichts nützt, wenn der Mensch aufgrund seiner Tiefenerfahrung jetzt zum Gotteslob bereit ist. Seine Bitte um Leben ist also nicht auf irdischen Besitz und Genuß aus, sondern auf Gottes Ehre gerichtet. Der Beter will sich wieder an Gott freuen und seine Treue verkündigen, doch auf dem Weg ins Totenreich kann er sich dazu nicht durchringen. "Alle echte, tiefe, strahlende Freude ist im AT zu Gott hingewandte Freude, weil alles, was Freude weckt, von Gott kam. Das Lob des Schöpfers ist sozusagen der Kehrvers des Schöpfiungsbenichtes - "und siehe es war alles sehr gut" (C.Westermann, Ausgewählte Psalmen S.125) (Siehe Ps 119,175!) Vers 11 ist der Bittruf um Barmherzigkeit in der Not. Der Klagende bittet um Gehör, fleht um Gnade und ruft Jahwe als Helfer an (vgl..Ps 50,15).




Vers 12/ 13: Der wunderbare Eingriff und der Sinn der zugelassenen Todesnot



In V. 12 wird nun zunächst einmal Jahwes eingreifendes Heilshandeln geschildert. Er hat das Dasein des Psalmisten verwandelt, indem er das Wehklagen erhört, das Sacktuch gelöst und den Psalmisten mit Freude umgürtet hat. Der Reigen bezeichnet einen Tanz, der von Gesang umrahmt ist, in welchem "Leib und Seele von Freude umfaßt sind" (C.Westermann, S.125) (vgl. Ps 149,3, Ps 150,4-1 Jer 31,13). Das Tanzen ist im AT allgemein der Ausdruck für natürliche Freude und gehört zum Leben wie das Lachen, Weinen und Klagen (Pre. 3,4). "So gehört der Tanz nach biblischer Vorstellung zum Menschsein dazu, ja er ist sogar eines der Merkmale der Heilszeit und des Heils selbst (Jer 31,4. 13)." (P.Zimmerling, im Grossen Bibellexikon S.1524). Bevor jedoch der Reigen begann, war es dem PsaIrnist nicht zum Tanzen, im Gegenteil. Er hatte sich ein Trauerkleid in Form eines Sacktuches übergestülpt. Calvin schreibt in seiner Psalmenauslegung: "Wir sollen hieraus lernen, dass die Trauer uns zur Buße treiben muß, denn bei dem Volke des alten Bundes war es Sitte, bei der Trauer einen Sack anzulegen. Dies geschah, damit man in der Erscheinung eines Angeklagten, in



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schmutziger Kleidung (vgl. Hi 42,6) demütig um Vergebung bittend vor den himmlischen Richter trete." (Calvins Psalmenauslegung, S.299/300).

Dieses Sacktuch, das gewöhnlich mit einem Strick festgebunden war, löste Gott und gab dem Menschen wie nach dem Sündenfall ein Kleid (vgl. Gen 3,2 1). An dieser Stelle wird inan auch an das Gleichnis der verlorenen Sohnes erinnert, dem der Vater das teure Festkleid schenkt (Lk 15,22),



3. Schlußteil

3.1. Die Hauptaussage des Textes



Ich will dich loben in Ewigkeit, denn du hast mich aus dem Tode gerettet!



3.2. Disposition für eine Predigt/Bibelarbeit



1 Die Gnade Gottes kommt von meinem Gott

2 Die Rettung kommt von meinem Gott

3. Das Lob gehört meinem Gott



4. Literaturangabe



Hilfsmittel

Burghard Helmut und Grünzweig Fritz und Laubach Fritz und Maier Gerhard (Hrsg.), Das große Bibellexikon, Brockhaus -Brunnen Verlag, 1990,2

Coenen Lothar und Beyreuther Erich und Bietenhard Hans (Hrsg.), Theologisches Begniffs- Lexikon zum Neuen Testament, Brockhaus Verlag, 1990,5

Gerhard Kittel (Hrsg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament.W. Kohlhammer- Verlag, Stuttgart, 1949



Kommentare

Delitzsch Franz, Commentar über das Alte Testament, Vierter Teil-. poetische Bücher, Erster Band: Die Psalmen, hg.v. C.F. Keil und F.Delitzsch, Leipzig 1873, 3.Auflage

Kraus Hans- Joachim, Biblischer Kommentar, Altes Testament, Band XV/1 (I.Teilband), Psalmen, Hg S.Hermann und H.W.Wolf, Neukirchen 1972, 4.Auflage

Spickermann, Hermann, Heilsgegenwart, Eine Theologie der Psalmen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1989

Weiser Artur, Die Psalmen 1 (ATD), Vandenhoeck & Ruprecht, 1987, 10

Westermann Claus, Der Psalter, Stuttgart 1967

Westermann Claus, Ausgewählte Psalmen, Vandenhoeck & Ruprecht, 1984