Johannes 20, 11-18

 

 

Interpretation von Ostergeschichten vor Johannes

Die Geschichten vom Gang der Maria Magdalena, dem Wettlauf der beiden Jünger und vom zweiten Gang der Maria Magdalena mit ihrer Begegnung mit Jesus und der Beauftragung durch ihn (20,1-10; 20,11-18) sind schon miteinander in Verbindung gebracht und verflochten worden, ehe der Evangelist Johannes sie schriftlich erhielt.

 

Grund der Interpretation: Der ‚Lieblingsjünger’, Traditionszeuge einer Gemeinde vor der johanneischen Gemeinde

Das hat wohl zu tun mit einer Gemeinde, die das Autoritaetsverhaeltnis zwischen ihrem Traditionstraeger, dem „Lieblingsjünger“ und dem von anderen wegen seines Martyriums favorisierten Petrus zurechtrücken wollte (s. die Auslegung von Joh 21,15-19).

 

Traditionstraeger einer Gemeinde vor Johannes: Der Zebedaeussohn Johannes

In diesem Traditionstraeger und Zeugen der aeltesten – also noch nicht von einer Gemeinde überarbeiteten – Tradition den Zebedaeussohn Johannes zu sehen, hat viel für sich.

 

Die ursprüngliche Ostergeschichte

Die ursprüngliche Geschichte von Maria Magdalena am Ostermorgen mag etwa so ausgesehen haben:

Sie geht am Ostersonntag frühzeitig mit anderen Frauen (s. 20,2) zum Grabe Jesu, sieht, weinend und sich vorbeugend, zwei Engel im Grabe an zwei wichtigen Stellen stehend. Sie wird zuerst von diesen beiden Engeln nach dem Grund ihres Weinens befragt und antwortet, hoert aber nichts von den Engeln, sondern sieht, sich umdrehend, Jesus, der sie auch nach dem Grund des Weinens befragt und – als Gaertner verkannt – sich ihr durch die Anrede „Maria“ zu erkennen gibt. Bekennend spricht sie „Mein Meister“, wird von Jesus abgehalten, ihn anzurühren und wird beauftragt, den „Brüdern“ zu sagen, dass Jesus auferstanden ist (in johanneischer Sprache: dass Jesus auf dem Weg zum gemeinsamen Vater und gemeinsamen Gott ist).

 

Die Jesus-Geschichte geht durch Maria Magdalena weiter

Das tut Maria auch und wird zur Gesandten des von Gott Gesandten: Die Jesusgeschichte geht nach Karfreitag durch Maria Magdalena weiter.

Die Gemeinde – auch die johanneische - erfaehrt aus dieser Geschichte, dass ihr Weinen in Beziehung gesetzt wird mit dem auferstandenen Jesus, der zum Vater geht.

 

Die in die Auferstehung einbezogene Gemeinde

Dadurch, dass Jesus in johanneischer Sprache von „meinem Vater und eurem Vater, meinem Gott und eurem Gott“ spricht, wird die Gemeinde in die Auferstehung Jesu eingeschlossen.

 

Ps 22,2 und Ps 22,23 gehoeren für die Gemeinde vor Johannes zusammen

Diese Gemeinde wird auch dadurch ganz eng mit Jesus verbunden, dass durch Jesus das Psalmwort aus Ps 22,2 („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“), das Johannes sicher aus der Tradition gekannt hat, aber in seiner Kreuzigungsgeschichte aus wichtigen Gründen nicht angeführt hat, von der Gemeinde vor Johannes ergaenzt wird durch das Psalmwort Ps 22,23 von der brüderlichen Gemeinschaft (vgl. Hebr 2,11f).

 

Zusage an Weinende

Schliesslich bestaerkt die Ostergeschichte mit der anfangs weinenden Frau und ihren vom Weinen getrübten Augen, die die vorhandene Wirklichkeit nicht sehen koennen und erst durch die Anrede „Maria“ geoeffnet werden, dass Einzelne und auch eine Gemeinde in schwierigen Situationen ohne Aussicht und Durchblick Begegnung von Jesus her erwarten koennen und zur Sprache der Hoffnung und des Vertrauens finden – „Rabbuni – und diese Sprache dann im Umgang mit anderen Menschen sprechen.

 

Der Evangelist Johannes

Der Evangelist Johannes hat eine in der Tradition schon überarbeitete Geschichte übernommen und sie wohl nur in V. 17 umformuliert.

 

Diese Abhandlung ist hier entnommen:

http://www.erlangen-evangelisch.de/johannesevangelium/index.htm