Kurzpredigt über Lukas 2, 22-31

von Michael Strauch




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Einleitung:


Ich möchte Ihnen heute morgen erzählen von einem großen Mann des Glaubens. Er ist weltberühmt und ich bin sicher, unser aller Symphatie wird ihm zufliegen. Er hat einen etwas eigenartigen Namen: Hörgut. Ich weiß nicht, ob sie jemanden mit solch einem Namen kennen. Dieser Mann ist nicht mehr sehr jung. Im Gegenteil: er ist schon sehr alt. Hörguts Berühmtheit begann auch eigentlich erst nach seinem Ableben. Hörgut hat auch nur eine kurze Predigt gehalten. Ansonsten war er ein Mann, der eher im Hintergrund gewirkt hat. Das, was ihn bekannt gemacht hat, kam erst kurz vor seinem Tod. Er hat also ein langes Leben hinter sich, doch er wußte, dass das Wesentliche, das Eigentliche, das, für das es sich gelohnt hat, zu leben, erst ganz am Schluss seines Lebens steht. Wir kennen viele Menschen, die ihre geistliche Karriere in der Mitte ihres Lebens haben. Aber nicht kurz vor dem Ende. Bei Hörgut war es anders und er ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass man nie zu alt ist, um die entscheidende Begegnung seines Lebens zu haben. Hörgut ist übrigens eine holprige Übersetzung. Denn dieser Mann war Jude, lebte ca. bis 4.nach Christus in Israel und hieß eigentlich Simeon. Ich will ihnen den bedeutenden Moment seines Lebens vorlesen. Hören Sie gut zu:


Lesen Lukas 2, 22-31


Hauptteil:


In dem Namen Simeon steckt das hebr.Wort shama und das heißt: Hören. Das ist das erste, was wir von diesem alten Mann lernen wollen. Hören. Warum ist das Hören so entscheidend?

Wenn wir an bekannte Menschen denken, so sind das doch sicher meist Leute, die viel reden. Die vor vielen Menschen stehen, die sehr geübt reden können und irgendwie ankommen. Vermutlich gehören die meisten von Ihnen nicht zu denen, denen es vergönnt war, zu vielen Menschen zu sprechen. Simeon war nicht jemand, der zum Reden berufen war, sondern zum Hören. Es heißt: der Heilige Geist war mit ihm. Und dieser Heilige Geist ließ ihn ein Geheimnis zuteil werden: er wird den Messias sehen, noch zu Lebzeiten. Simeon wußte nicht mehr. So war sein Leben ausgerichtet darauf, den richtigen Moment zu erfassen, wann es soweit sein wird. Aus keiner Predigt konnte er einen Hinweis lesen, kein Zeichen am Himmel wies ihn weiter. Ihm blieb nichts anderes übrig, als eine innere Bereitschaft zu haben. Eine Bereitschaft, auf den Geist Gottes zu hören. Darüber wurde Simeon alt. Ein ganzes Leben lang hörte er auf den Moment, wann der der Heilige Geist ihm den entscheidenden Impuls geben würde. Warum mußte Simeon solange warten? Ich weiß es nicht. Ich glaube aber, dass das Hören auf Gott eines der entscheidenden Dinge im Leben eines Christen sind. Unser Inspektor Richard Kuppler sagte kürzlich: Gott hat uns nur einen Mund gegeben, aber zwei Ohren. Draußen steht ja auch eine wunderschöne Plastik des Mose als jemand, der ganz auf Gott hört. Ein Ohr gehört Gott, das andere Ohr meinem Mitmenschen. Dietrich Bonhoeffer sagte einmal: „Der erste Dienst, den ein Gemeindeglied dem anderen schuldet ist der, dass es den anderen anhört!“ Simeon war ein Mann, der nur eine große Aufgabe für seinen Herrn hatte. Aber über dieser Aufgabe lernte er die erste Lektion des Christen: das Hören. Das Hören auf Gott, das Hören auf meinen Mitmenschen.

Es kam der Tag, wo Simeon innerlich Gewissheit hatte: heute gehst Du in den Tempel. Im Tempel sah er ein junges Ehepaar mit einem Säugling, dass zur traditionellen Beschneidung anwesend war. Simeon hat diese Zeremonie schon unzählige Male erlebt. Woher wußte er, dass es mit diesem Kind etwas Besonderes auf sich hatte? Ein Mensch, dessen Ohr auf Gott ausgerichtet ist, erfährt es tief in seinem Inneren. Und nun sieht er den Messias und es geschieht etwas, was wir nicht so schnell überhören dürfen: Er nahm das Kind in seine Arme! Es kommt zu einer innigen Berührung. Das ist das zweite, was wir von Simeon lernen: die praktische Tat. Bonhoeffer sagt: der erste Dienst des Christen ist das Hören. Der zweite Dienst ist die Hilfsbereitschaft und der dritte Dienst ist das gegenseitige Ertragen. Simeon nimmt das Kind aus den Armen der Mutter. Für einen Moment nimmt er ihr das Kind ab und trägt es. Diese feine, liebevolle Berührung spricht Bände, spricht von einem langen Leben. Simeon war – wie wir hörten „fromm und gottesfürchtig“. Männer und Frauen, die diese Bezeichnungen bekamen wie z.B. Hiob waren stets Menschen, die für andere da waren. So ist das Hören auf Gott und auf meinen Mitmenschen eine Sache. Danach kommt, dass ich meinem Mitmenschen etwas Gutes tue. Ihm helfe, ihm beistehe, und im Letzten: ihn ertrage.

Ich erinnere mich gern an einen alten Mann, der im letzten Jahr gestorben ist. Er war über achtzig Jahre alt. Er hatte sehr viel Wissen, wußte auch sehr viel über die Bibel und war in der Kirche sehr aktiv, sein ganzes Leben lang. Aber im Rückblick erinnere ich mich nicht an das, was er in der Gemeinde getan hat. Ich erinnere mich daran, dass seine Tür mir immer offen stand. Er nahm mich als Teenager völlig ernst und hörte meinen kleinen Problemen zu. Und wenn er mich sah, er hatte ein Holzbein, so hinkte er auf mich zu und dann nahm er mich in seine Arme. Als junger Mensch war ich nicht immer seiner Meinung. Auch machte ich mit seinem Sohn manchen Blödsinn, der ihm sicher auf den Wecker ging. Aber er hielt mich aus. Betete täglich für mich und später für meine Familie. Er hatte schon drei Söhne, und trotzdem sagte er zu mir: Michel, wieviel Söhne hab ich? Ich sagte: drei. Er antwortete: nein. Vier. Du bist mein vierter Sohn. Ich entstamme aus einem Trinkerhaus und somit wurde die tätige Liebe dieses alten Mannes für mein Glaubensleben sehr wichtig. Über ihn wird wohl nie ein Buch geschrieben. An seiner Beerdigung waren keine großen Persönlichkeiten da. Aber für mich war er jemand ganz Großes im Reich Gottes.

Von Simeon lernen wir das Hören, dann das Helfen und das Ertragen in der Liebe. Bonhoeffer sagt dann: „Wo nun der Dienst des Hörens, der tätigen Hilfe und des Tragens treu getan wird, kann auch das Letzte und Höchste geschehen, nämlich der Dienst mit dem Wort Gottes!“

Am Ende eines langen Lebens, nach dem Hören, nach dem Helfen und ertragen fließt wie selbstverständlich aus Simeons Mund das Lob und das Zeugnis: Jesus ist der Christus, der Sohn Gottes.


Schluss


Über dem Hören, über dem Helfen, über dem Ertragen eines langen Lebens begegnet Hörgut den Christus. Simeon sieht den Christus noch vor seinem Tod. Wir werden Christus erst nach unserem Tod sehen. Aber bis dahin ändert sich nichts. Bis dahin ist die beste Vorbereitung für diese Begegnung, das sich gelernt habe und es bis ans Lebensende lerne: zu hören auf Gottes Geist und auf meine Mitmenschen. Und zu helfen, wo ich kann. Und zu ertragen mit Gottes Hilfe. Wer als Christ so lebt, wird am Ende sicher sagen dürfen: Herr, nun läßt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast. Denn meine Augen dürfen nun bald den Heiland sehen, den du bereitet hast vor allen Völkern.