Bibelarbeit über Markus 15, 20b-47

von Michael Strauch

Gliederung

  1. Personen-und Begriffsklärung

    2. Die Peripherie des Kreuzes (Verse 20b-41)

    2.1. Die gesprochen Worte beim Kreuz

    2.2 Die Menschen am Kreuz

3. Die letzte Ehre geben (Verse 42-47)

zu 1: Personen-und Begriffsklärung


  1. Simon von Kyrene

  2. Alexander und Rufus

  3. Römischer Hauptmann

  4. Maria von Magdala, Maria – Mutter des Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome

  5. Josef von Arimathäa

  6. Golghata

  7. Myrrhe mit Wein

  8. Essig

  9. Kreuz, Kreuzigung


Simon von Kyrene – war vermutlich ein Jude aus Nordafrika. Vielleicht war er während der Passahfeierlichkeiten nach Jerusalem gekommen. Simon heißt „Erhörung“. Er muss später der christlichen Gemeinde bekannt gewesen sein, weil Markus diesen Zusatz einfließen läßt: er war der Vater von zwei bekannten Söhnen namens Alexander und Rufus. Besonders Rufus wird von Paulus im Römerbrief erwähnt: „Grüßt Rufus, den Auserwählten in dem Herrn, und seine Mutter, die auch mir eine Mutter geworden ist!“ Rö 16,13. Ein hohes und großes Lob und Ausdruck tiefer Zuneigung zu dieser christlichen Familie. Ebenfalls tief beeindruckt von Jesus war ein römischer Hauptmann. Das waren ähnlich wie im heutigen Militär auch hohe Offiziere. Es gab Unter-und Oberhauptmänner bis hin zu den Prätoren, je nach Größe des militärischen Verantwortungsbereichs.

Maria von Magdala war eine Jüngerin Jesu, die wohl aus dem kleinen Ort Magdala stammte (Westufter vom See Genezareth). Sie war einst von sieben Dämonen besessen, als der Herr Jesus sie endgültig befreite und sie zu einer der treuesten Nachfolgerinnen machte. Maria sorgte für den Unterhalt des Herrn (vgl. Lk 8, 1-3). Die andere Maria, Mutter des Jakobus und des Joses, ist die Ehefrau von Kleophas. Vermutlich ist einer der Söhne – Jakobus – ihr Sohn und Jünger(Apostel) Jesu. Sie beiden werden erste Zeugen von Jesu Auferstehung. Es wird weiter auch Salome genannt. Interessant ist hier Mt 27,56, wo sie in gleicher Reihenfolge nur ohne Namensnennung erwähnt wird. Es liegt also nahe, dass sie die Ehefrau von Zebedäus und damit die Mutter von Johannes und Andreas war. Aus Johannes 19,25 muss ebenfalls geschlossen werden, dass Salome die Schwester der Mutter Jesu Maria war. Sie war ebenfalls bei der Grablegung dabei. Weiter hören wir von einem Mann namens Josef von Arimathäa. Er war ein Mitglied des Hohen Rates. Er hatte sich an der Verurteilung Jesu nicht beteiligt, war ein geheimer Jünger Jesu und dazu ein vornehmer Mann, der das „Reich Gottes suchte“. Er stellte sein eigenes in den Felsen gehauenes Grab für Jesus zur Verfügung und sorgte für die Bergung des Leichnams Jesu. Man weiß heute nicht genau, wo Arimathäa lag, vermutlich nordöstlich von Lydda. Golgatha leitet sich vom aramäischen Wort gulgulta ab, was Schädel bedeutet. Der Kirchenvater Origines glaubte, dass Adams Kopf dort begraben sei, ein anderer, Hieronymus glaubte, dass menschliche Köpfe Verurteilter dort begraben wurden. Jesus wurde außerhalb und doch in der Nähe der Stadt Jerusalem gekreuzigt. Das entspricht römischer und jüdischer Handhabe. Man vermutet heute, dass der Ort nahe eines Stadttores war, weil Menschen daran vorbei gingen. Die Nähe eines Gartens läßt auf die Norden Jerusalems schließen. Nach neuesten archäologischen Kenntnissen stimmt der Ort Golgatha mit der Grabeskirche überein. Myrrhe (eigentlich ein Duftstoff) wurde – gemischt mit Wein – als Betäubungsmittel (Narkotikum) benutzt. Die Römer tranken Essig (vergorenen Wein), mit Wasser verdünnt, als durststillendes Getränk.

Der römische Senator Cicero beschrieb die Kreuzigung als „überaus grausame und furchtbare“ Todesstrafe. Übernommen haben die Römer diese Methode von den afrikanischen Karthagern und sie wurde nur bei gemeinen Verbrechern oder Sklaven angewandt. Römer durften nicht auf diese Art sterben. Bei der Kreuzigung wurden Arme und Beine an einen horizontalen und vertikalen Stamm gefesselt. Zusätzlich oder auch ausschließlich wurden lange Nägel durch Füße und Hände, oder auch zwischen Elle und Speiche in vorgebohrte Löcher getrieben. Nach römischer Strafsitte wurde der Verurteilte zuerst gegeißelt, bevor er gekreuzigt wurde. Ja, er mußte generell sein Folter-und Todesinstrument sogar selbst zur Hinrichtungsstätte tragen. In vielen Fällen trug der Verurteilte nur den vertikalen Pfahl, da der horizontale schon an der Hinrichtungsstätte aufgepflanzt war. Der Verurteilte wurde dann nackt am Holz hochgezogen, die Kleider fielen dem Henkerspersonal zu. Es war üblich, dass man den Sterbenden ein Narkotikum zur Linderung der Schmerzen verabreichte. Wie aber starb der Gekreuzigte? Auch hier gab es sadistische Nuancen. Wurde z.B. an den Füßen ein Pflock hingenagelt, so konnte der Verurteilte sich abstützen. Der Eintritt des Todes konnte aber sich tagelang hinziehen. Wurden die Nägel durch die Arme getrieben, also zwischen den beiden vorderen Armknochen, so wurden die dort entlanglaufenden Nerven getroffen und das verursachte unaussprechliche Schmerzen. Hinzu kam, dass der Gekreuzigte furchtbaren Durst bekam, schreckliche Kopfschmerzen maltretieren sein Gehirn, es setzten Phobien ein (Angstzustände), gemischt mit Fieberattacken. Doch das Schlimmste war die Art des Hängens. Der Verteilte glaubte, in dieser Lage keine Luft mehr zu bekommen. Also mußte er sich auf den aufgespießten Füßen aufrichten, um Sauerstoff zu holen. Das wiederum hatte große Schmerzen zur Folge. Das ständige Auf-und Ab aber führte zu einer Anreicherung von Wasser im Brustkorb und in der Bauchhöhle. So führt das Ganze langsam zu einem Tod durch Ersticken. Um diesen Tod schneller herbei zu führen, schlugen die Knechte den Verurteilten die Schenkelknochen entzwei, sodass sie sich nicht mehr aufrichten konnten. Die Juden kannten die Hinrichtungsmethode der Kreuzigung vom Gesetz her nicht, wohl aber, dass ein Verurteilter am „Holz des Fluches“ aufgehängt wurde.



Zu 2: Die Peripherie des Kreuzes (V.20b-41)


Mit dieser Überschrift möchte ich das Augenmerk auf das legen, was Markus beschreibend erzählt. Achten wir z.B. auf die Tätigkeiten, auf die Verben, so bekommen wir einen sehr beklemmenden Eindruck:


In den Verben wird deutlich, wie niedrig und gemein Jesu letzten Stunden vor dem Kreuz waren. Besonders Handlungen mit der Hand (hinausführen, zwingen, kreuzigen, teilen, werfen, geben) und Handlungen mit dem Mund (lästern, verspotten, schmähen) streicht Markus hervor. Gottes starker Arm hat sich zurückgezogen, der starke Arm des Sünders tritt an seiner Stelle. In dem Moment, wo Jesus „draußen ist“, hinausgeführt wird, auf ihn das Fluchholz wartete, war er auch außerhalb von Barmherzigkeit, und Gnade. Jesus wird übergeben „in die Hände der Sünder“. Und diese Hände werfen, zwingen, kreuzigen. Das Lob beim Einzug in Jerusalem verwandelt sich beim Auszug aus Jerusalem in Spott und Schmach.

Jesus steht unter dem Fluch meiner und der Sünde dieser Welt. Er ist verflucht, zum Verbrecher degradiert. Er ist „exkommuniziert“, das meint, außerhalb jeder Gemeinschaft gestellt. Außerhalb der Gemeinschaft mit seinen Jüngern und den Menschen, außerhalb der Gemeinschaft mit Gott. Ihn trifft die Strafe der Sünde, die Gottesferne, der Tod. Es heißt, sie „geben ihm die Schuld“. Zu Unrecht. Und doch innerhalb des Willens Gottes. Denn Gottes Sohn nimmt das Unrecht an und verwandelt es in Sieg.

Dieses schreckliche Geschehen wird nun auch durch die Natur und den Kosmos deutlich. Das Gericht zieht auf. Folgende Begleiterscheinungen:



Die Finsternis ist in der Bibel nach der natürlich kosmischen Dunkelheit (Nacht) oft ein Bild der Gottesferne, der Verblendung und der dämonischen Macht. In Jesaja heißt es, dass das Volk, das im Finstern wandelt, ein großes Licht sehe...Die Finsternis ist insofern der Bereich Satans, als dass es das Gegenteil vom Licht ist. Nach Johannes 1 ist Jesus das Licht. Das Licht ist wiederum Bild für das Leben aus Gott. Wer Gott nicht hat, hat das Licht und somit das Leben nicht. Es bleibt das Gegenteil: die Dunkelheit. Die Finsternis tritt auf, als das Licht Jesu Christi erlischt. Das Böse, das Gottesferne, die Macht der Sünde scheinen zu triumphieren. Doch wenn die Dunkelheit, wie hier in diesem Fall plastisch einem Menschen vor Augen steht, dann mag er den leeren Versprechungen Satans nichts mehr abzugewinnen. Christus gerät in die Gottesferne. Ein für ihn unendlich und von keinem Menschen nachzuempfindender Zustand der Höllenqual. Doch Jesu Leiden und Sterben werden zum Sieg, schon beim Eintritt des Todes, als der dicke Vorhang vor dem Allerheiligsten auseinanderreißt und den Weg frei macht für die Kinder Gottes zum himmlischen Vater. Wir haben durch den Sühnetod Christi einen freien und offenen Zugang zum Vater (Thema des Hebräerbriefs).


    1. Die gesprochenen Worte am Kreuz



Bei den Juden und Schriftgelehrten fällt eines ganz besonders auf:


Hilf dir selbst (2x) - steig vom Kreuz/vom Kreuz herabnehme (3x) – damit wir sehen (2x) und glauben.

Die Juden gierten nach einer Sensation. Jesus hatte vor ihren Augen viele Wunder vollbracht. Er hatte Kranke geheilt, Tote auferweckt, Stürme zum Stillstand gebracht und Brot und Fisch vermehrt. Er hat „anderen geholfen“. Aber nun wollen sie ein Zeichen des Wohlwollens Gottes:


Es geschieht nicht, also hängt Jesus nach ihrer Auffassung zu Recht am Kreuz.

Umso erstaunlicher ist es, dass ausgerechnet der Heide, ausgerechnet derjenige, den der politische Messias Israels vertreiben soll, glaubt. Er glaubt, ohne zu sehen. Er wiederholt das Bekenntnis des Petrus: dieser ist Gottes Sohn. Und er bleibt es auch als Toter. So breitet sich über das Herz vieler Juden eine Decke des Unglaubens, doch das Herz der Heiden öffnet sich. Doch kommt das Heil von den Juden, das darf man nie vergessen!


So kann man die Worte der Lästerungen auch umkehren. Und Gott schenke es, dass manche Lästerung nach Jesu Auferstehung sich in Lob verwandelt hat.


Herr, du hast durch dein Leiden und Sterben das Alte abgelöst und den Weg zum Vater frei gemacht. Du hast auf deine Macht verzichtet, bist nicht vom Kreuz gestiegen, damit die Strafe dich träfe und ich Erlösung erfahre.

Du hast anderen geholfen und hast auf alle himmlische Hilfe verzichtet. Du bist der Christus, der König von Israel. Ich will mein Kreuz auf mich nehmen, an dich glauben und in der Ewigkeit dich sehen!“

Mein Gott, mein Gott, Du hast deinen geliebten Sohn verlassen, weil er meine Sünde trug. Und kein Elia, kein Engel kam ihm zur Hilfe. Jesus starb für mich am Kreuz, damit ich nicht dort sterben muss.

Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn!


    1. Die Menschen beim Kreuz


Es beschämt mich, wenn ich sehen muss, wer bei Jesus blieb bis ans Ende. Die Feinde Israels – die Römer, zugleich Henker und Heiden - . Die Feinde Jesu: die jüdische, theologische Oberschicht: die Schriftgelehrten, die Pharisäer. Die Feinde der Gesellschaft: Räuber, Verbrecher – die zu beiden Seite Jesu mitgekreuzigt wurden.


Und wer hielt aus bei ihm bis zuletzt? Die Frauen! Oft Mütter. Die Mutter Jesu. Die Mütter von Jüngern Jesu, die zum engeren Jüngerkreis gehörten. Und Jesu Jünger, den der Herr besonders liebte, der Jüngste von allen: Johannes. Gott sagt im AT zum Volk Israel, dass wenn eine Mutter ihr Kind im Stich ließe, was nahezu undenkbar ist, so würde er doch sein Volk nicht verlassen. Der Herr ist verlassen, vom Vater, damit der Vater mich nicht verlassen muss. Gott hat sein Versprechen gehalten, doch mußte er dafür sein eigenes Kind geben. Als Zeichen seiner großen Liebe stehen Mütter am Kreuz. Und das verheißene Schwert dringt durch das Mutterherz der Maria.


Im Film von Mel Gibson „Die Passion Christi“ ist dies eindrucksvoll in Szene gesetzt. Maria sieht in ihrer Erinnerung Jesus als kleinen Buben davon laufen. Er fällt dabei der Länge nach hin und weint. Darauf rennt die Mutter Maria sofort los, hebt das Kind auf und tröstet es mit den Worten: „Ich bin ja bei dir!“ Später, als sie ihren Sohn völlig blutig das Kreuz tragen sieht, rennt sie zu ihm hin und spricht eben dieselben Worte: Ich bin ja bei dir! Doch helfen kann sie nicht. Der Herr geht den Weg des Kreuzes, damit die Welt mit dem Vater versöhnt ist. Damit der Vater mich als Kind gewinnt, mich aufheben kann und sagen kann: „Ich bin ja bei dir!“, mußte er sein liebstes Kind fallen lassen, sterben lassen, leiden lassen. Das ist die Liebe Gottes, unergründlich.



Zu 3. Die letzte Ehre geben (Verse 42-47)


Kurz vor Jesu Verurteilung, Schmähung, Geißelung und Kreuzigung verbrachte Jesus wertvolle Stunden mit seinen Jüngern beim Abendmahl. Der Raum war fürstlich, bevor Jesus wie ein Verbrecher sterben mußte. Doch begraben wurde er wieder wie ein Fürst. Es war wohl 15 Uhr, als der Tod Jesu eintrat. Die Passahfeierlichkeiten begannen um 18 Uhr. Sollte der Leichnam Jesu nicht in irgendein Massengrab fallen, mußte Josef nun schnell reagieren. Er mußte ein äußerst mutiger Mann gewesen sein, denn:

  1. Die Kreuzigung Jesu, die öffentliche Schmähung seiner „Kollegen vom Hohen Rat“ mussten Joseph doch noch tief in den Knochen stecken. Wann reifte in ihm diese Erkenntnis?

  2. Er ging, nachdem der Legionär den Tod Jesu bestätigte, schnurstracks zu Pilatus und erbat den Leichnam. Gefährlich, zeigte er doch damit seine Ehrerbietung Jesu gegenüber. Wo die Jünger flohen und sich geheim hielten, offenbarte dieser große Mann seinen Glauben. Und das noch zum toten Herrn!

  3. Er gab Jesus öffentlich nahe der Stadtmauer ein Ehrengrab. Da es unbenutzt und frisch war, deutet es darauf hin, dass Josef noch nicht lange in Jerusalem wohnte.

  4. Er läßt Jesus in kostbare Leinen wickeln, was seine Vornehmheit und sein begüterten Stand offenbart.


Zugleich handelt Joseph bewußt oder von Gott gelenkt (oder beides) sehr geschickt. Niemand kann ihn hindern, den Leichnam Jesu zu bergen, denn er hat die Zustimmung der römischen Behörde. Weiter hat er den klaren Bescheid, dass Jesus wirklich gestorben ist. Ihm wurde ja mit dem Speer durch die Seite das Herz zusätzlich durchbohrt. Jesu Tod ist amtlich besiegelt, die üble Nachrede der Schriftgelehrten danach hatte schon eine Augen-und Ohrenzeugen gegen sich.

Hinzu kommen weitere Zeugen: die Frauen, die nicht von Jesu Seite wichen beim Kreuz, sie weichen nun auch nicht von Jesu Seite bei seiner Beerdigung. Sie „sahen“, wo Jesus hingelegt wurde. Sie waren Zeugen seines Todes und Zeugen seiner Beerdigung. Sie werden auch Zeugen seiner Auferstehung sein.


Fast nebenbei leuchtet das Evangelium hell auf: „...der auch auf das Reich Gottes wartete!“ Ob Joseph glaubte, dass der Messias an diesem Sabbath käme? Er glaubte an das Kommen des Reiches Gottes und fand und sah in Jesus jemanden, dem er alle Ehre geben wollte.


Auch sind die Verben interessant, weil sie ähnlich sind wie bei der Kreuzigung, nun aber ein ganz anderes Licht bekommen: