Bibelarbeit über Markus 2, 18-28

gehalten von Michael Strauch


  1. Aus Alt mach Neu? (Verse 18-22)

  2. Wer dient wem? (Verse 23-28)


zu 1: Aus Alt mach Neu?


Markus erzählt uns, wie oft der Herr einen anderen Weg als den herkömmlichen einschlug. Wie sehr waren die Menschen in Traditionen eingeschlossen und wie selten fragten sie nach dem Warum und dem Sinn. Viele religiöse Bräuche macht man, ohne zu verstehen und zu hinterfragen. Kürzlich hatte ich eine Frau getroffen, die sich mit Grauen an ihre Kindheit erinnerte. Sie ist Katholikin und erzählte von der Beichtpraxis in der katholischen Kirche. Ich finde die Beichte an sich eine gute Einrichtung, aber laut ihrer Aussage war alles verzerrt und hatte den ursprünglichen und befreienden Charakter verloren.

Die Jünger des Johannes fasteten, die Jünger der Pharisäer fasteten. Das war gängige Praxis all derer, die in besonderer Weise Gott dienen wollen. Doch Jesu Jünger fasteten nicht. Auf die damalige, allgemein akzeptierte Fastenwelle fiel Jesu Verzicht auf das Fasten völlig auf. Prompt wird er daraufhin angefragt. Doch der Herr ist um eine Antwort nicht verlegen. Und allein in dieser Antwort liegt eine Tiefe, ein ganzes Evangelium. Schlichtweg göttlich. Jesus gebraucht folgende Begriffe und weiß um ihre Wirkung und ihren traditionellen Hintergrund:




Dahinter steht die allgemeine Praxis, dass während einer Hochzeit Gesetz und Thorastudium, Fasten und Ernst ruhen und die Freude, das Ausgelassensein ihren Platz haben. An sieben Tagen wurde gegessen, getrunken, gefeiert und die Freude und das Glück wirkten wie ein Sonnestrahl in einem Dorfleben. Wenn von einer Hochzeit die Rede ist, dann kam Glanz in die Augen der Hörer. Jesus spricht von einer Hochzeit und von einem Bräutigam. Die Hochzeitsgäste seien die Jünger, doch dürften die Pharisäer ihm nicht folgen können. Sie wissen und ahnen nicht, dass das Reich Gottes nahe herbei gekommen ist. Sie wissen nicht, dass Jesus der Bräutigam ist und er in den Gläubigen seine Braut sucht. Solange Jesus unter ihnen weilt, ist Hoch-Zeit. Fasten ist nicht angesagt. Es komme der Tag, so sagt der Herr, wo der Bräutigam für unbestimmte Zeit nicht da ist. Bräutigam und Braut sind „getrennt“ und doch aufgehoben für den großen Tag. Wohl dem, der zur Hochzeitstafel eingeladen ist.


Die Pharisäer haben vermutlich gedacht, sie haben irgendetwas nicht mitbekommen. Umso verwirrter waren sie wohl, als Jesus seinem ersten Bild ein zweites hinzufügt.

Als erstes erwähnt er, dass man eine alten Lappen nicht auf ein neues Kleid näht. Sonst würde das Ganze reißen. Wie ist dieses Bild zu verstehen?

Gemeint ist, dass man sein Kleid sehr lange getragen hat. Eigentlich von Generation zu Generation. Selbst am Kreuz wird das Kleid Jesu aufgewahrt und man würfelt sogar darum. Die Kleiderfülle von heute wäre den Menschen von damals völlig fremd. Wenn nun ein Kleid einen Riss hat, so hat man es sehr wohl mit einem Flicken genäht. Nur der Flicken musste ebenfalls von einem Stoff sein, der schon getragen wurde und der artverwandt ist. Nähme man einen Flicken frisch vom Webstuhl, dann würde sich dieser Flicken bei Nässe das erstemal zusammenziehen und somit den alten Stoff einreißen. Ein Ratschlag, den eine Mutter ihrer Tochter gewiss mitgegeben hat.


Wie ist nun das Bild mit dem Wein zu verstehen? Im alten Israel kannte man nicht – im Gegensatz zu Rom, Indien, China oder andere Länder Glasflacons, Fässer oder sonstige Holzbehälter. Es gab Krüge oder die Kopf-und Beinlose Haut eines Schafes. Die offenen Enden wurden zugeschnürt, nur ein Ende als Füllmöglichkeit genutzt. Da junger Wein arbeitet, sollte man ihn nicht in Schläuche tun, die einiges an Alter und Gebrauch schon hinter sich haben. Aus alten Quellen ist ein Reissen solcher Schläuche immer wieder beschrieben. Also neuer Wein in einen neuen „Balg“ oder Schlauch, dessen Konsistenz noch keine Gebrauchsspuren hat. Da sind die Chancen geringer, den Wein zu verlieren. Sicher ein Rat, den der Vater seinem Sohn weitergab.


Was haben beide Bilder gemeinsam? Jedesmal betont Jesus einerseits das Alte und das Neue. Beidesmal wird auch betont, dass Alt und Neu unverträglich sind. Sie sind auseinanderzuhalten. Was ist nun gemeint?


Gemeint ist nicht, dass das Alte nichts wert ist und das Neue zählt. Das hat der Herr nicht gesagt.

Gemeint ist nicht, dass Altes und Neues nebenher existieren kann. Auch das sagt der Herr nicht.

Gemeint ist nicht, dass das Neue gegen das Alte ausgespielt wird oder das Alte gegen das Neue.

Es geht nicht um Wertungen, es geht um einen Prozess, den das Reich Gottes pflegt, zu nehmen. Wie aber sieht dieser Prozess aus?


Das Alte ist eindeutig der alte Bund. Der alte Bund hat seinen Sinn und seinen Wert und darf ihn auch bis zu einem gewissen Grad behalten. Der alte Bund hat seinen Wert, aber er hat seinen Dienst auch erfüllt. Neues beginnt. Dieses Neue wird nicht mit dem alten verknüpft, sondern das Neue folgt dem Alten. Niemand wird verantwortungsbewußt an seinem Auto zwei Reifen, die völlig abgefahrene Profile haben nur zwei neue Reifen spendieren. Er wird die alten auswechseln und vier neue dranmontieren.

Das Reich Gottes folgt dem AT. Aber das Neue ist auch wirklich neu. So wird die Synagoge ihre Daseinsberechtigung verlieren und der Gemeinde Jesu Platz machen. So wird das Opfer seinen Platz verlieren und Christi Kreuz stellt sich dahin. Das Alte ist erfüllt, das Neue beginnt mit Christus. Und weil es so neu ist, stößt es auf Widerstand. Das Neue durch Christus ist radikal. Und nur das Neue in Christus bringt uns das Heil. Das Alte erhellt das Neue. Aber das Alte kann nicht retten. Wer Altes und Neues vermischen will, bringt sich um alles. Das ist eine schwere Lektion für die Pharisäer und Schriftgelehrten.

An dieser Stelle möchte ich deutlich betonen, dass dieser Abschnitt nicht missbraucht werden darf, um z.B. alte Kirchenlieder gegen neues Liedgut auszuspielen oder ähnliche Anstalten. Was Jesus hier klar meint ist, dass das Judentum mit der alten Religion erfüllt ist und das Neue in Christus beginnt radikal zu wirken.



Zu 2: Wer dient wem? (Verse 23-28)


Jesus geht mit seinen durch ein Kornfeld. Es ist Sabbath und die Jünger hatten Hunger. Beim Vorbeigehen ergriffen sie eine Ähre und streiften die Körner ab. Daraufhin aßen sie sie. Dieser winzige, kaum kraftaufbietende Akt wird von den Pharisäern schon als eine Übertretung des Gesetzes gewehrtet. Hier geht eine Arbeit von statten, hier wird – wenn auch in minimaler Form - „geerntet“, hier denken die Jünger nur an sich und ihren Magen. Hier gehen sie „ihren Geschäften nach!“ Und das hat Gott verboten, so legen sie es aus. Prompt stürmen sie auch herbei und stellen Jesus zur Rede. Jesu Antwort verblüfft immer wieder auf`s Neue. Er argumentiert:



Vielleicht haben die Pharisäer ihr Wissen den Unwissenden oft gerne zur Schau gestellt. Wenn diese irgendwas falsch machten und später reuig beteuerten, sie hätten es nicht gewußt und dann der Rabbi, nachsichtig lächelnd ihm eine Geschichte erzählte und damit erhärtete, was man wiedermal alles nicht darf. Es ist wahr: sie legten dem Volk eine Last auf, die sie selbst zu tragen nicht bereit waren. Vielleicht hat der Rabbi auch gesagt: Hast Du nie gelesen...

In den Worten Jesu begreifen wir auch auf`s Neue die Größe der Reformation Martin Luthers, der die Bibel unters Volk bringen wollte. Die Kirche hat dem Volk bewußt die Schrift vorenthalten, damit diese nicht Geschichten lasen, die sie aufmüpfig und fragend machen könnten. Wie angenehm ist doch der Stand des Spezialisten. Wie schnell kann der Intellektuelle Macht ausüben auf das schwache Gewissen. Jesus sagt nun zu den Pharisäern: Habt ihr nie gelesen...



nicht irgendjemand, sondern David. Der große König David, von allen Seiten geehrt und geachtet. Aus dem Geschlecht Davids kommt der Messias. Und Jesus schildert eine Episode, als David auf der Flucht war vor Saul, der ihm ans Leben wollte. So wie die Pharisäer den Tod Jesu sich wünschten. Bewußt und pointiert bringt Jesus nun einen Donnerschlag nach dem anderen:



Jesus schafft also eine Analogie: David – Jesus – Gefährten – Jünger: gemeinsamer Grund: Hunger.

Er macht weiter deutlich, dass der Priester sogar das Ganze unterstützte.


Was aber will Jesus letztendlich damit sagen?


Gott hat zuerst die Welt erschaffen, dann den Menschen. Das Sabbathgebot kam später unter Mose. Das heißt, Gott wollte mit dem Sabbathgebot dem Menschen nicht einen Schweigetag auferlegen, sondern der Sabbath hat den Sinn, dem Menschen Gutes zu tun. Der Mensch war vielen Kämpfen und vieler Arbeit ausgesetzt. Vielleicht hatten die Mensche auch ein permanentes, schlechtes Gewissen, auch mal die Arbeit ruhen zu lassen. Aber Gott will, dass der Mensch ausruht, zur Ruhe kommt und sich entspannt. Wenn aber der Hunger ihn quält, wie will er sich entspannen?

Damit macht der Herr deutlich, dass Jesus gekommen ist, um dem Menschen das zu geben, was er im tiefsten braucht. Die Menschen stressen sich selbst. Aber der Herr will ihm Gutes tun. Jesus ist der Herr über dem Sabbath. Er legt ihn so aus, wie er ursprünglich verstanden werden will. Aber er nicht nur Herr über den Sabbath, sondern über alles, was ist.


Gedanke:


In Gemeinden und Gemeinschaften gibt es viele gute Traditionen. Sie müssen aber immer wieder hinterfragt werden, ob sie dem Menschen dienen und ihm helfen, mit Christus zu leben. Wo Einrichtungen, Tradtionen Jesu Werk behindern, ihren Dienst und ihre Tauglichkeit „überlebt“ haben, muss Neues her. Aber immer innerhalb der Schrift.