Bibelarbeit über Markus 3, 1-6

gehalten von Michael Strauch


  1. Der Mann mit der Kralle (Vers 1)

  2. Die Falle (Vers 2)

  3. Jesus, der unbezwingbare Herr (V.3-5)


zu 1: Der Mann mit der Kralle


Schlaff, kraft-und saftlos meint das griechische Wort an dieser Stelle. Aus medizinischem Standpunkt ist es gut denkbar, dass der Kranke in seiner Hand eine Störung der Durchblutung hatte, dann ein Muskelschwund eintrat und die Hand dann zu einer krallenartigen Haltung sich versteifte. Ich vermute, dass dieser Mensch seine Hand verbarg. Ich selbst habe eine Frau vor Augen, die in meiner Heimatstadt im Wohnblock wohnte. Sie war klein, dürr und sah mit vierzig aus wie eine sechzigjährige. Ihr Mann betrog sie mit anderen Frauen, der Kummer stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie war eine Griechin und mochte mich gerne. Als ich sie wiedermal sah, wollte ich ihr fröhlich die Hand geben. Doch eine starke Gichtkrankheit hatte ihre Finger wie eine Vogelkralle erstarren lassen. Diese Frau zog sich zurück, konnte auch nach vielen, vielen Jahren in Deutschland kein Wort der Landessprache und zog sich in sich selbst zurück. Aber wenn wir uns begegneten, dann sprach sie mit dem griechischen Dialekt meinen Namen aus, als wollte sie ihn liebkosen. Ich hatte diese Frau sehr gerne und wie gern hätte ich ihr Schicksal gewendet. Ich kann es nicht. Jesus kann es. Ihm sei Lob und Ehre. Vielleicht war jener Mann in der Synagoge wie diese Frau. Zurückgezogen, stumm in der Versammlung, voller Scham. Und doch zog er sich nicht aus dem Gottesdienstleben zurück. Er wollte Gott nahe sein. Hoffte auf ein bisschen Gnade und Zuwendung seitens der Gemeinde und des Allerhöchsten.

Wieder baut Markus einen bewußten Gegensatz auf, wie schon in Kapitel 2, 1-12. Zuerst die Synagoge mit ihren reichen Traditionen, der Hort des Heils, wo man Gemeinschaft mit Gläubigen und mit Gott. Und inmitten der Gesunden, der Gerechten und Frommen ein Mensch, der das Merkmal einer „Schande“ aufwies. Gehen wir davon aus, dass eine Krankheit oft auf Sünde zurückgeführt wurde, dann war dieser Mann gezeichnet. Er hatte eine Art Kainsmal. Ich erinnere mich auch an den großen Demagogen des 3.Reichs: Joseph Göbbels. Er wollte ursprünglich Priester werden, doch er hatte einen Klumbfuss. Was wäre aus ihm geworden, wenn er als bekehrter Christ mit dieser Redegabe gewirkt hätte. So ging er einen satanischen Weg. Unser Mann in der Synagoge durfte mit solch einer Behinderung z.B. kein Priester werden. In diese Synagoge trat Jesus ein.



Zu 2: Die Falle


Wer sind „sie“? Eindeutig: die Pharisäer aus Vers 6. Die Gemeinde (Kap 2,12) pries Gott. Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer nicht. Achten wir über die Verben:

  1. sie lauerten

  2. sie wollen verklagen

  3. sie schwiegen still

  4. sie gingen hinaus

  5. sie schmiedeten Mordpläne mit den Anhängern des Herodes


Ein Tier lauert im tiefen Dickicht auf sein Opfer. Ein Dieb lauert im Dunkeln und sucht nach Möglichkeiten des Einbruchs. Kain lauerte seinem Bruder auf, um ihn zu töten. Die Sünde lauert vor der Tür und wartet auf günstige Gelegenheit. Der Satan lauert wie ein hungriger Löwe und sucht, wen er zu Fall bringt. Der Satan verklagt die Gerechten vor Gott und schwärzt sie an. Die Hinterhältigen und Kriminellen schweigen, wennd er Richter die Tat offen legt. Judas Iskarioth ging, nachdem der Satan in ihn gefahren ist, hinaus, um Jesus zu verraten. Und Satan ist ein Mörder und Lügner von Angebinn an.

Wir haben also kriminelles, satanisches Potential im Herzen dieser geistlichen Männer. Wie ist das möglich? Kann der Neid so weit gehen, dass das Herz zu einer „Mördergrube“ wird? Wie ist es möglich, dass Männer, die sich doch täglich mit dem Wort Gottes beschäftigen und ich will ihnen ihren Ehrgeiz für Gott nicht in Abrede stellen, zugleich nur sich sehen? Ja, sie greifen sogar im starken Wir-Gefühl zu wirklich kriminellen Methoden. Die Zeiten sind hart, da darf man wohl nicht zimperlich sein in der Auswahl der Mittel.

Ihre Methode ähnelt darum auch der Satans. Erinnern wir uns an Matthäus 4, Jesu Versuchung in der Wüste. Der Satan arbeitete stets mit frommen Elementen: Brot! Ich bin das Brot des Lebens. Brot als Lebens-mittel. Als David hungerte, nahm er sogar die Schaubrote. Wenn Jesus Steine zu Brot werden läßt und sie ißt, bewegt er sich doch in biblischen Traditionen. Das zweite: auf der Zinne des Tempels. Des Gotteshauses. Der Ort, wo Gott wohnt. Wirf dich hinab und zeige allen Menschen, dass Gott seine Verheißung, dass seine Engel ihn auf Händen tragen, einlösen wird. Nicht Worte genügen, lass Taten folgen. Und am Schluss die Anbetung. Nur einmal. Das Kreuz bliebe ihm erspart, die Welt bekäme Jesus zur Beute. Doch alles hat einen Haken: Gottes Wille. Wer die Bibel statisch liest ohne die Lebendigkeit des Heiligen Geistes, der gerät in eine Gesetzlichkeit, die sogar in verzerrten Abarten des Glaubens münden kann. Nicht die Schrift, sondern Gott ist Herr über die Schrift. Und die Schrift muss aus dem Heiligen Geist kommentiert werden.

Lesen wir die Schrift statisch, wie ein Gesetzesbuch – dann liegt der Fall klar: am Sabbath soll man keine Arbeit tun. Auch Heilen war Arbeit. Schließlich kann der Gelähmte ja auch warten, bis der Sabbath vorbei ist (siehe Lk 13,14). Nur wenn jemand in Lebensgefahr stand, wurde dieses Prinzip gebrochen.

Was also tun die Pharisäer? Sie wissen um Jesu Mitleid! Genau das nutzen sie aus. Auf mich wirkt die Situation geradezu gestellt. Ob die Pharisäer den Kranken in die ersten Reihe baten, ob sie ihn sogar bewußt eingeladen haben und er sonst nicht kam, bleibt offen und spekulativ. Vieles ist hier denkbar. Eines ist sicher: heilt Jesus diesen Mann, hat er sich am Gesetz Gottes vergriffen, kann nicht der Messias sein. Die Heilungen sind womöglich auf teuflische Kräfte zurückzuführen, wie die Herren ja auch an andrer Stelle argumentieren (Stichwort: Belzebul).



Zu 3: Jesus, der unbezwingbare Herr


Wie reagiert Jesus? Zunächst läuft alles nach dem finsteren Plan, wäre da nicht die hervorstechende Souveränität Jesu. Er stellt sich vor die Gemeinde und fordert geradezu den Konflikt heraus. Sein Imperativ wirkt majestätisch und unnachgiebig. „Tritt hervor!“ sagt er zu dem Mann mit der Krallenhand. Tritt hervor, vor aller Augen, auch und besonders vor den lauernden Augen will er es tun. Nun warten die Pharisäer auf die Heilung. Aber Jesus durchkreuzt auch hier zuerst ihre finstren Pläne. Er stellt eine Frage. Er stellt eine Frage an die Lauernden und reißt sie somit ebenfalls ins Rampenlicht. Er stellt die Frage:


Soll man am Sabbath Gutes tun oder Böses tun...

Soll man am Sabbath Leben erhalten oder töten...


Worin aber liegt die Krone dieser Frage? Inwiefern brachte diese Frage die Pharisäer zum Schweigen? Warum diskutieren sie nicht mit ihm? Schauen wir uns die Frage genauer an:

Das erste, was auffällt ist, dass die Frage ein „Entweder-Oder“ ist. Einen goldenen Mittelweg gibt es nicht. In Jesaja 56, 1-5 finden wir eine Stelle, an die der Herr vielleicht gedacht hat. Dort heißt es in Vers 2, dass der Mensch am Sabbath nichts Arges tun soll. Weiter soll aber auch der Verschnittene nicht sagen, er sei ein dürrer Baum. Sondern Gott will ihn ehren und ihm Gutes tun. Sieht man dann auch weiter nach den Sabbathordnungen im AT, so fällt immer wieder auf, dass die Gläubigen nicht „ihren Geschäften nachgehen sollen!“ Sie sollen sich nicht bereichern, nicht immer nur an sich denken.

Jesus hat das Gesetz also in seinem tiefen geistlichen Sinn, nämlich auch und gerade unter dem Gebot: liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Auf seiner Seite. Und weil der Herr heilen kann, ist dieser Kranke sein Nächster, als dem, der von ihm Hilfe erwarten darf. Versagt man ihm aber diese Hilfe, so ist es „unterlassene Hilfeleistung“. Jesus will und kann am Sabbath Gutes tun. Jesus ist gekommen, den Menschen das Leben zu bringen, sie aufzunehmen in die Gemeinschaft und Gemeinde Gottes. Die Pharisäer wissen sofort, dass sie nicht ungeschoren diese Frage beantworten können. Sie schweigen. Und ihr Schweigen ist weder Ja noch Nein.

Und nun folgt etwas, was uns erschauern läßt:



Lieber Leser, ich glaube, diese Stelle hat eine ungeheure Dynamik. Wenn man sich ein wenig mit Naturwissenschaften beschäftigt und bedenkt, welche Kräfte im Kosmos tätig sind und sich nun vorstellt, wie der Erschaffer dieser Kräfte – vereint in der Gestalt eines Menschen – nun eine kleine Gruppe von Leuten anblickt. Seine Augen wandern von einem Gesicht zum anderen. Die Pharisäer können den Blick nicht standhalten. Und der Herr sieht alles. Er sieht in die Herzen und sieht das, was sein göttliches Herz in Aufruhr versetzt: Mord, Finsternis, Hinterlist, Bosheit-gepaart mit Frömmigkeit. Ein Gemisch, dass den Herrn regelrecht zornig macht. Er sieht das Herz Pharaos, dieses trotzige Auflehnen gegen Gott, diese schändliche Missbrauch der Worte Gottes, um seine eigene Macht zu stärken. Aus dem griechischen wird deutlich, dass die Trauer den Zorn nicht auslöscht. Beides kann beim Herrn nebeneinander stehen. Der Herr ist zornig. Dieser Zorn wiederum ist aber nicht vergleichbar mit menschlichem Zorn. Dieser Zorn ist immer auch gepaart mit der Trauer über das schreckliche Schicksal dieser Menschen.


Seine Befehle sind klar und knapp:


Tritt hervor...

Strecke deine Hand aus...


Und der Kranke streckt sie sofort aus. Kein Widerspruch. Sofortiger Gehorsam. Der Allgewaltige Sohn Gottes befiehlt, der Mensch gehorcht. Heilung sein Lohn.


Die Pharisäer verlassen den Raum. Durch ihr Verlassen wollen sie demonstrieren: Protest, mit dem Mann will ich nichts zu tun haben, ich werde in seiner Gegenwart unrein. Es fallen keine Worte. Welche auch? Das demonstrative Weggehen, die giftige Atmosphäre, die dadurch entsteht und die Belastung der schwachen Gewissen, über die jene Geistliche Macht haben, wirken auf seine Weise. Als die Pharisäer sich allein wissen, treffen sie sich mit solchen, die sie im Sinne ihrer Vorstellung wirklich schmutzig machen. Die Schächer des Herodes, die Gehilfen des Johannesmörders, ein Ehebrecher.